Ein Mit-Leser wollte mehr über mein Arbeitsumfeld erfahren. Ob ich inmitten von Bücherstapeln sitze, ob die Aschenbecher überquellen und so weiter. Nun – da gibt’s nicht all zu viel zu verheimlichen. Rauchen tu ich nicht, das fällt mal weg, und was „meinen“ Arbeitsplatz betrifft, so ist es mir in all den Jahren, da ich nun schon hinter der Tastatur sitze, noch nicht gelungen, eine ideale Lösung zu finden.
Eine Zeitlang bildete ich mir tatsächlich ein, dem üblichen Klischee entsprechen zu müssen. Kreatives Chaos umschwirrte mich; eine Pinwand, unzählige hingeschmierte Notizen, überquellende Ablagen, Zettel, Bücher, Schriften überall, die Wände eng an eng, wie in einer Höhle. – An und für sich keine schlechte Idee, aber nach einer Weile wurde ich kribbelig und wußte nicht, warum.
Dann war eine Weile Ordnung mein Thema. Alles sollte griffbereit liegen, alles sauber strukturiert, ich thronte auf meinem – ergonomisch optimierten – Sessel, Lichteinfallgab’s im richtigen Winkel, ich wartete inmitten dieser Leere auf geniale Gedanken. – Ui, war das ein Debakel! Die Leere produzierte bloß Leere in meinem Kopf, von all der Ordnung ringsum bekam ich Übelkeit.
Vielleicht würde es mit einem Standortwechsel besser klappen? Also schleppte ich meine Unterlagen (geschätzte drei Tonnen) ins nächstbeste Zimmer, beschied meiner dort ansässigen Tochter: „Kind, Du ziehst um! Abmarsch!“ und richtete mich in ihrem ehemaligen Domizil neu ein. Tatsächlich, das funktionierte! Ich hatte mehr Platz, um mich auszubreiten und konnte dennoch eine gewisse Ordnung halten. Doch wiederum: Nach einer Weile wurde ich unruhig.
Also schnappte ich die wichtigsten Utensilien – Notebook, Notizheft, Bleistift – und vertschüßte mich ins nächstbeste Caféhaus.
Um endlich, endlich draufzukommen, was mir guttat: Es war schlicht und ergreifend der Wechsel, die Unstetigkeit, die mir half, gut arbeiten zu können. Je unterschiedlicher die Eindrücke, je mehr Neues ich zu sehen bekam, desto kreativer konnte ich schreiben – und auch konzentrierter.
So sitze ich nun meist in der Küche, auf dem unbequemsten Sessel, den man sich nur vorstellen kann, an einem runden und unpraktischen Tisch, um in Stille zu schreiben. Am nächsten Tag mach ich mich womöglich – so wie eben – neben dem Fernseher breit, dann wieder im Beisl um die Ecke oder in der Kantine am Fußballplatz oder im nächstgelegenen Park, um dann wieder in mein Arbeitszimmer zurückzukehren und während der nächsten Woche dort zu werkeln. Ab und zu lasse ich die Stadt Stadt sein und fahre ins Grüne – ich lege mir da keinerlei Regeln auf.
Es gibt gewiß Kollegen, die ein genormtes Umfeld benötigen, in dem sie ihre Sachen griffbereit haben und konzentriert bei der Sache sein können. Aber – und das habe ich schon in meinem Beitrag über die Strukturen beim Schreiben angedeutet – ich mußte den für mich richtigen Weg finden. Dies war ein Prozeß, der einige Zeit in Anspruch nahm, und wer weiß – vielleicht finde ich ja irgendwann eine „ruhigere“ Lösung als dieses stetige Hin- und Herspringen zwischen den Arbeitswelten.
Drei Anmerkungen dazu:
– Was gar nicht geht, ist, im Kreise der Familie zu arbeiten. Da bin ich ständig abgelenkt und horche auf die mir bekannten Stimmen. Im Café hingegen ist es mir wurscht, was ringsum geplaudert wird. Stimmen und Geräusche ergeben eine Klangwolke, die durchaus inspirierend sein kann.
– Meine Tochter haßte mich wegen meiner Zwangsräumung – aber nur für einige Stunden. Sie liebt ihr kleines Zimmer über alles.
– Eine überaus geniale Seite im Internetz zeigt in Bildern das Arbeitsumfeld von Science Fiction-Autoren. Da sieht man sehr gut, wie unterschiedlich Menschen ihren Arbeitsplatz definieren. Mir persönlich taugt übrigens das „Zimmer“ von Samuel Delaney am meisten. Hier der Link: http://www.whereiwrite.org/