Das Interview findet am 4. Juli 2012 im Rahmen der Präsentation einer Anthologie des Falter-Verlags mit dem Titel „Tatort Prater“ statt, stilgerecht im Schanigarten eines Gasthauses nahe des Wiener Würstlpraters. Andreas ist in der Anthologie ebenfalls mit einer Kurzgeschichte vertreten. Er ist so nett und nimmt sich nach seiner Lesung ausgiebig Zeit, mit mir zu plaudern; dementsprechend lang wird das Interview.
Ich habe keinen besonderen „Fahrplan“ bei meinen Fragen, und so mäandern wir von einem Thema zum nächsten, kehren manchmal auch wieder zu einem früheren Ausgangspunkt zurück. Dafür bitte ich um Entschuldigung – aber es muß ja nicht immer alles den kerzengeraden Weg entlang gehen …
Zur Person Andreas Gruber: Er ist ein österreichischer Autor, Jahrgang 1968, der sich seit geraumer Zeit in der Phantastik tummelt und nun mit den Thrillern „Rachesommer“ sowie „Todesfrist“ (derzeit nur beim Club Bertelsmann erhältlich) Meriten einheimst.
Er ist mehrfacher Preisträger beim „Deutschen Phantastik-Preis“, sowohl im Bereich Buch als auch bei der Kurzgeschichte, und den „Vincent-Preis“, der herausragende Leistungen im Horror-Genre belohnt, schien er eine Zeitlang überhaupt abonniert zu haben. Und trotz all der Leichen, die seinen Weg pflastern, ist ein extrem netter Kerl geblieben.
Wer mehr über Andreas und seine Arbeit erfahren möchte – http://agruber.com/
F: Andreas, Du bist gebürtiger Wiener, lebst aber außerhalb der Stadt?
A: Ich wohne in einer kleinen Ortschaft im Triestingtal namens Grillenberg, in der Nähe von Berndorf. Wenn Du Richtung „Hals“ fährst …
F: Ich kenne die Strecke vom Motorradfahren.
A: Grillenberg liegt ein wenig abseits der Durchzugsstraßen. In einer Sackgasse. Unser Haus ist eines der letzten, dahinter führt bloß noch eine Forststraße weiter.
F: Das hört sich ruhig und friedlich an …
A: Meine Frau kommt aus der Gegend. Wir haben vor einigen Jahren ein Grundstück gesucht und gefunden und ein Fertigteilhaus draufgestellt.
F: Du bist halbtags berufstätig?
A: Ja. 25 Stunden.
F: Heißt das nun, daß Du derzeit noch nicht vom Schreiben leben kannst, oder willst Du noch nicht?
A: Ich will vom Schreiben leben. Das ist DER Traum, den wahrscheinlich ein jeder Autor hat, aber es geht sich leider noch nicht aus. Die Verkaufszahlen meiner Bücher sind halt noch nicht in einer derartigen Dimension, daß ich meine Familie erhalten und den Kredit aufs Haus zurückzahlen könnte.
F: Deine Frau ist ebenfalls berufstätig?
A: Ja.
F: Ich habe mich dazumals auf Luft selbständig gemacht. In dem Moment, da ich sagte: Ich will unbedingt Autor werden – da hat es auch funktioniert. Ist es bei Dir vielleicht ein klein wenig die Angst vor dem entscheidenden Schritt? Daß Du’s Dir nicht zutraust? Wenn Du nun Deinen Brotjob aufgeben würdest, würde da nicht automatisch mehr Produktivität entstehen?
A: Auf jeden Fall. Ich könnte wahrscheinlich doppelt so viel schreiben wie heute. Derzeit brauche ich etwa eineinhalb Jahre für einen Roman. Würde ich vollzeitlich schreiben, könnte ich wahrscheinlich zwei Romane im Jahr schaffen, wenn ich mich voll reinhänge. Es mangelt ja auch nicht an den Ideen. Ich habe extrem viel Einfälle, darum geht‘s sicherlich nicht. Ich weiß aber nicht, ob ich ausreichend Schreibaufträge von den Verlagen bekommen würde.
Es ist schon richtig, was Du sagst: Es ist ein wenig Angst da. Die Angst, daß ich für die Schublade schreibe.
F: Wenn ich Deinen Weg als Schriftsteller verfolge, dann hast Du bei Kleinverlagen angefangen, warst dann „Hausautor“ bei Festa und bist nun bei Bertelsmann mit Deinen Thrillern vertreten …
A: Ja. Es sieht derzeit so aus: Mein Literaturagent verkauft das Manuskript an den Club Bertelsmann, der bringt das Buch als „Premiere-Titel“ heraus. Das sind Romane, die vorher noch nicht in einer Buchhandlung gelegen sind. Hauptsächlich werden für diese Premieren-Titel die Buchrechte amerikanischer Autoren angekauft, und ab und zu schlüpft halt ein deutschsprachiger Autor wie ich ins Programm. Wenn ein Titel gut ankommt, dann verkauft Bertelsmann die Taschenbuchrechte an einen anderen Verlag.
F: Das ist ein reines Lizenzgeschäft.
A: Genau. Da Club Bertelsmann und Randomhouse zusammengehören und zu dieser Dachgesellschaft wiederum Verlage wie Blanvalet, Heyne oder Goldmann gehören, war es naheliegend, daß die Taschenbuchausgaben innerhalb des Konzerns lizensiert werden. So ist es zum Beispiel bei meinem Thriller „Rachesommer“ geschehen, der bei Goldmann etwa ein Jahr später rauskam. Mein zweiter Thriller „Todesfrist“ wird innerhalb eines dreiviertel Jahres im selben Verlag erscheinen.
F: Beide Bücher sind Krimis, besser gesagt, Thriller?
A: Ja.
F: Ich kenne Dich eher als Autor der Phantastik.
A: Ja. Ich habe Science Fiction geschrieben, und dann hauptsächlich Horror.
F: Du bewegst Dich also von Deinem angestammten Genre ein wenig weg, hin zum Thriller?
A: Genau.
F: War das eine bewußte Entscheidung, oder ist das einfach passiert?
A: Das ist ein Entscheidungsprozeß, der schon vor langer Zeit begonnen hat. Mein erster Roman im Festa-Verlag, „Der Judas-Schrein“, war ein klassischer Ctulhu-Lovecraft-Horrorroman. Aber er war auch ein Hybrid zwischen Thriller, Krimi und Horror. Ein Kripo-Ermittlerteam mußte bestialische Morde aufklären, die erste Hälfte des Romans war nach dem Muster eines klassischen Thrillers gestrickt. Dann kippt die Erzählung schön langsam ins Horror-Genre. Schon damals habe ich also erste Erfahrungen mit Krimi und Thriller gemacht.
F: Du hattest auch mal einen jüdischen Privatdetektiv in Wien als Helden?
A: Ja. „Jakob Rubinstein“. Das war eine Mischung aus Thriller und Science Fiction.
F: Deine Kurzgeschichtensammlung „Die letzte Fahrt der Enora Time“ war reine Science Fiction, nicht wahr?
A: Ja.
F: Ist die SF für Dich denn erledigt?
A: Ja.
F: Warum?
A: Genau kann ich’s gar nicht sagen. Ich habe mir eine Zeitlang sehr schwer getan, weiter SF zu schreiben. Es waren so viele technische Recherchen notwendig, um meine Plots plausibel machen zu können. Technik interessiert mich nicht wirklich. In der Kurzgeschichtensammlung „Die letzte Fahrt der Enora Time“ wirst Du bemerken, daß sehr wenig technisches Know-How drin ist. Nicht so wie zum Beispiel bei James P. Hogan. Dessen Storys gefallen mir, nebenbei gesagt, sehr gut. Aber ich möchte keine technischen SF-Geschichten erzählen, kann es auch nicht. Und wenn ich auf die Technik verzichte, dann kann ich gleich Fantasy schreiben, und das Genre mag ich noch weniger.
F: Ich widerspreche ungern; aber ich schreibe ja auch ein bißl Science Fiction und stell mich dabei auf den Standpunkt, daß die Technik so ist, wie sie ist. Es ist mir wurscht, ob sie erklärt ist oder nicht. Sie ist bloß ein Vehikel für meine Geschichten und hat zu funktionieren. Wär das nicht auch für Dich eine Möglichkeit, so zu arbeiten?
A: Nein. Ich muß es für mich wissen. Wenn ich etwas schreibe, muß es Hand und Fuß haben. Diesen Anspruch stelle ich an mich, und deshalb muß ich mir leider eingestehen, daß es für einen SF-Roman nicht reichen wird.
Die beiden längsten Novellen in „Die letzte Fahrt der Enora Time“ sind Raumschiffgeschichten. Da habe ich sehr zeitaufwendig recherchieren müssen, wie so ein Schiff funktionieren könnte. Wie fliegt es im All, wie wird es angetrieben, wie funktioniert die Navigation – das war alles Teil der Story. Da mußte ich mich lange und breit mit dem Mitarbeiter eines astronomischen Instituts unterhalten, um in Erfahrung zu bringen, wie ein Biotronik-Steuer- und Antriebssystem mit Drohnen und Synapsen funktionieren könnte.
Sagen wir so: Bei der Science Fiction bin ich an meine Grenzen gestoßen.
F: Okay. Die SF ist also für dich abgehakt. Das nächste große Ding für Dich war die Phantastik, im Speziellen der Horror.
A: Genau. Und dort ist es so, wie Du es bei der SF sagst: Es ist mir völlig egal, ob ein Horror-Element wirklich möglich wäre oder nicht. Das ist Horror, das ist Phantastik, und so wie ich es schreibe, so funktioniert’s.
F: Das Genre erlaubt es …
A: Genau. Und bei der SF habe ich das Gefühl, daß es mir die Leser krumm nehmen würden, wenn ich mich an technischen Erklärungen vorbeischwindeln würde.
F: Ich muß an dieser Stelle auf etwas anderes zurückgreifen. Wir haben uns 2002 auf dem Retzhof in der Steiermark kennengelernt. Bei einem Schreib-Seminar, das Andreas Findig leitete. Seine Mit-Vortragenden waren Klaus N. Frick und Leo Lukas. Ich kann mich erinnern, daß Du damals schon sehr bestimmt gesagt hast, PERRY RHODAN sei nicht Deines. Damit kämst Du nicht zurecht, dorthin wolltest Du Dich als Autor nicht orientieren. Du bist sehr zielgerichtet in eine bestimmte Richtung gegangen, ohne nach links und rechts zu blicken. – War das die richtige Entscheidung oder bereust Du es, Dir nicht Wege in andere Richtungen offengelassen zu haben?
A: Ob es die richtige Entscheidung war, kann ich nicht sagen, weil ich nicht weiß, wie sich ein anderer Weg entwickelt hätte. Aber müßte ich heute noch einmal wählen, würde ich genau so handeln.
F: Wenn Klaus N. Frick Dich fragen würde, ob Du einen Roman als Gastautor schreiben wolltest – was würdest Du sagen?
A: Er hat mich einmal gefragt, das war mit unzähligen Konjunktiven versehen. „Wie würdest Du reagieren, wenn ich Dich fragte, ob Du einen Gastroman schreiben wolltest“ – so in der Art.
Ich habe in meinem Antwort-Mail abgelehnt. Weil ich glaube, daß ich das nicht zusammenbringen würde. Ich habe ihm allerdings einmal einen Exposé-Vorschlag für einen Roman der Fan-Edition gegeben. Ich hatte eine Idee, die hat ihm aber nicht gefallen. Letztendlich muß ich sagen, daß die Idee eh ein Blödsinn gewesen wäre. Er wäre mit mir wahrscheinlich nicht glücklich gewesen.
Natürlich würde mich ein Gastroman reizen. Aber ich glaube, daß ich der falsche Mann dafür bin.
F: Du hast zu PERRY RHODAN nur wenig Bezug, oder?
A: Richtig. Ich habe keine Ahnung vom RHODAN-Universum. Ich weiß, daß es Gucky, Atlan und Perry Rhodan gibt, und Perry Rhodan ist unsterblich. Das war’s auch schon.
Ich habe mir einmal bei einem PERRY RHODAN-Con die ersten Silberbände gekauft und zu lesen bekommen. Super, dachte ich mir, da sind die Heftromane komprimiert drin, das kann ich lesen. – Die ersten drei Bücher habe ich geschafft, dann habe ich aufgegeben.
F: Ein kleiner Hinweis am Rande: Derzeit wird die Geschichte von Perry Rhodan unter dem Titel „NEO“ neu geschrieben, und zwar unter der Prämisse, daß Rhodan im Jahr 2036 auf dem Mond landet, dort ein Raumschiff der Arkoniden findet und mit Hilfe deren Technologie die Menschheit eint. Die Inhalte der Erstauflage aus dem Jahr 1961 werden also übernommen, aber die Geschichte neuzeitlich erzählt. Je weiter die Handlung fortschreitet, desto deutlicher entfernen sich die Erstauflage und NEO voneinander. Und es wird auf gegenwärtige Probleme auf der Erde viel mehr Rücksicht genommen als 1961, als die Mondlandung Perry Rhodans ins Jahr 1971 gesetzt wurde.
A: DAS würde mich interessieren, allerdings nur als Leser. Was mir ja sehr gefällt, ist die zeitlich nahe liegende Science Fiction. Wenn die Raumschiffe zum Beispiel innerhalb des Sonnensystems herumfliegen und gerade noch bis zum Pluto kommen. So etwas fasziniert mich. Geschichten mit Pionierraumschiffen und so … Science Fiction à la Star Wars mit hunderten Völkern und Figuren – das interessiert mich gar nicht. Das ist zu weit weg.
F: Hat das wieder damit zu tun, daß Du alles erklärbar haben möchtest?
A: Ja. Mir gehen zum Beispiel die Kabeln auf (wienerisch-ugs. für: „Ich ärgere mich fürchterlich“), wenn ich im Fernsehen eine Folge von Star Trek oder Babylon 5 sehe, und die Außerirdischen unterscheiden sich bloß darin vom Menschen, daß sie drei Runzeln auf der Stirn und ein spitzes Ohr haben. Ein Außerirdischer sollte eher wie der Predator oder wie eine der Alien-Figuren aussehen.
Für mich ist Science Fiction im Film zum Beispiel „Event Horizon“ oder „Pandorum“. Serien wie „Stargate“– haben nix mit SF zu tun. Die Außerirdischen sehen aus, als hätte man sie aus einer Sitcom ausgeliehen.
F: Was hältst Du von „2001 – Odyssee im Weltraum“?
A: Find ich … gut, optisch sowieso, vor allem fürs Jahr 1968. Ich hab den Film zwei Mal gesehen. Beim ersten Mal hat er mir gar nicht gefallen, dann hab ich ihn mir vor etwa zehn Jahren nochmals angeschaut, da war ich begeistert. Er ist für mich sehr esoterisch, aber optisch gefällt er mir ausgezeichnet.
Die „Mark Brandis“-Bücher mag ich zum Beispiel sehr. Das ist alles relativ plausibel. Nikolai von Michalewsky hat zwar viele technische Fehler eingebaut, weil er sich damit nicht gut ausgekannt hat – aber es ist alles nachvollziehbar. Die Raumschiffe fliegen zum Beispiel jahrelang zum Uranus. Und damit kann ich was anfangen.
F: Liest Du die Serie jetzt nochmals? Sie wird ja im Wurdack-Verlag neu gedruckt.
A: Ich habe meine alten Bände nochmals gelesen. Da habe ich mir selbst ein Revival gegönnt und war sehr überrascht, daß mir die Bücher als Erwachsener noch immer so gut gefielen wie als Jugendlicher.
F: „Mark Brandis“ ist ja Jugendliteratur.
A: Stimmt.
F: Ich hab als Teenager fünf oder sechs Bände gelesen, aber ich trau mich heute nicht mehr drüber. Womöglich würde ich mir meine Jugenderinnerungen zerstören.
A: Glaub ich nicht. Die Bücher sind gut, wenn man großzügig über technische Mankos hinwegschaut. Michalewsky verwendet die SF, um über Zivilcourage oder sozial- und gesellschaftspolitische Themen zu schreiben. Und wenn man das unter diesen Gesichtspunkten liest, kann man gar nicht enttäuscht werden.
F: Wie geht’s bei Dir weiter? Wo siehst Du Dich in ein paar Jahren?
A: Ich hätte natürlich gerne die Selbständigkeit als Autor. Ich möchte das Leben als Schriftsteller stemmen können, ohne daß ich wegen zu wenig Geld Angst haben muß. Daß ich konsequent um sieben Uhr in der Früh aufstehe, daß ich bis in den Abend durchschreiben kann. Daß mir die Ideen nicht ausgehen und daß sich meine Bücher gut verkaufen.
Und ja, in fünf Jahren sehe ich mich schon so weit.
F: „Rachesommer“ hat sich doch eh schon sehr gut verkauft und tut es noch immer?
A: Stimmt. Das Taschenbuch verkauft sich wirklich sehr gut. Aber der Preis ist mit 8,99 Euro recht niedrig, wenn man bedenkt, dass da die Mehrwertsteuer noch wegkommt und wer da noch aller mitverdient, nachdem der Club Bertelsmann die Nebenrechte weiterlizensiert hat. Die Netto-Einnahmen von Goldmann fließen an den Club, von dort an meinen Literaturagenten und dann erst an mich, und jeder knapst ein bißl was weg, so daß unterm Strich für mich nicht mehr so viel übrigbleibt.
Aber das ist für mich auch okay so. „Rachesommer“ war für mich der Einstieg bei den Großverlagen, der Türöffner. Besser so als gar nicht.
F: Wie ist der Vertrag für „Rachesommer“ zustande gekommen?
A: Ich habe ein Exposé für einen Thriller geschrieben und auf gut Glück dann den Roman. Mein Agent, Roman Hocke, hat ihn auf seine Liste aufgenommen und auf der Frankfurter Buchmesse den zehn größten deutschen Verlagen angeboten. Keiner von denen wollte ihn. Sie haben sich zwar teilweise Leseproben schicken lassen, haben aber dann gemeint, ich sei noch zu sehr im Horror verhaftet. Die meisten Redakteure haben nicht mal registriert, daß meine Bücher bei Festa ja eigentlich auch Thriller waren.
Der Club Bertelsmann war letztlich der Einzige, der mein Buch haben wollte. Die große Auswahl hat’s für mich nicht gegeben, ich konnte also nicht an den Meistbietenden verkaufen.
F: Bist Du vertraglich an den Club Bertelsmann gebunden?
A: Nein. Es gibt keine Option auf ein nächstes Buch oder so.
F: Wenn Du etwas Neues in der Schublade liegen hast – schickst Du das nach wie vor an die Verlage aus?
A: Ich schicke alles an den Literaturagenten. Insofern bin ich schon gebunden. Bei den Kurzgeschichten kann ich machen, was ich möchte; aber was Romane betrifft, bin ich verpflichtet, alles über Roman Hocke laufen zu lassen.
Da bin ich auch heilfroh darüber. Das Klinkenputzen bei den Verlagen will ich nicht. Nicht, weil ich mir zu gut dafür wäre, ich hab das jahrelang gemacht. Es geht darum, daß ich die Zeit, die mir zur Verfügung steht, fürs Schreiben nutzen möchte und nicht für diese Dinge.
Ich schicke ihm also meine Exposés, er liest sich’s durch und sagt mir, was er glaubt, daß es chancenträchtig wäre und was nicht …
F: Diese Expos bewegen sich nun alle im Krimi- oder Thriller-Genre, oder bietest Du auch welche für Horrorromane an? Suchst Du auch andere, neue Herausforderungen? Kinderbücher zum Beispiel?
A: Ich bin mal gefragt worden, ob ich ein Kinderbuch schreiben möchte, aber das will ich nicht. Nein, das waren eigentlich keine Kinderbücher, sondern Jugendromane. Thriller für 16jährige, die recht hart geschrieben sind und bei denen die Protagonisten etwa 18 Jahre alt sind. Das will ich nicht schreiben – zumindest jetzt noch nicht. Ich möchte mal als Thriller-Autor Fuß fassen und als solcher wahrgenommen werden. Aber ich möchte nicht jetzt schon, da es grad richtig losgeht, mit einer Arschbacke auf zwei oder drei Kirtagen tanzen.
Was mir gut gefallen würde, wäre, wenn ich bei einem anderen Verlag eine Schiene mit Horrorromanen aufmachen könnte. Das wäre toll.
F: Wie sieht’s mit historischen Romanen aus …?
A (unterbricht sofort): Nein!
F: Regionalkrimis?
A: Nein, überhaupt nicht. Wenn ich einen Krimi schreibe, möchte ich mich an internationalen Schauplätzen orientieren. In meinen Romanen kommt zwar immer wieder Wien vor, aber ich mache dann Ausflüge nach Norddeutschland, Bayern, Italien – was auch immer.
Das Einzige mit Lokalkolorit, das ich jemals geschrieben habe, war mein jiddischer Privatdetektiv „Jakob Rubinstein“, der in Wien arbeitet. Der Reiz bei dieser Geschichte war der, daß ich Horror und Science Fiction vermengt habe.
F: Wie bist Du mit dem jüdischen Element zurechtgekommen?
A: Das hat mir gut gefallen. Ich wollte mir in der Geschichte zwei Außenseiter schaffen. Auf der einen Seite waren Jakob Rubinstein und sein Freund, ein schwuler Journalist. Die beiden lösen Kriminalfälle. Auf der anderen Seite hatte ich den Wiener Polizeipräsidenten und den Bürgermeister, und die beiden sind in meiner Geschichte nicht gut auf Schwule und auf Juden zu sprechen.
F: In welcher Zeit spielt der Roman?
A: In der Gegenwart.
F: F: Ich merke, daß Du eine sehr feste Einstellung zu Genres und der Richtung hast, in die Du gehen möchtest. Du sagst ja oder nein zu einem Projekt, und damit ist die Entscheidung gefallen.
A: Das sind keine rationalen Entscheidungen, sondern vielmehr Bauchgefühl. Ich habe auch mal angeboten bekommen, mit einem bekannten deutschen Autor als Co ein Buch zu schreiben. Mein Bauch hat nein gesagt. Mein Name wär zwar auch auf dem Buch oben gestanden, aber es wäre nicht meine Idee gewesen, auf der das Manuskript beruht.
F: Mit dem hab ich auch so meine Probleme, wenn ich Exposés für andere Autoren schreibe. Ich habe bestimmte Vorstellungen, wie man meine Ideen umsetzen sollte, und es kommt dann etwas ganz anderes raus. Das fühlt sich seltsam an, auch wenn das fertige Buch oder das fertige Heft ganz toll geschrieben ist.
A: Ich kann mir das gar nicht vorstellen. Ich denk da vielleicht auch zu egoistisch. Ich hab halt so viele Ideen, und die möchte ich alle selbst niederschreiben. Ich möchte gar nicht für einen Anderen Ideen verschwenden.
Aber es gibt auch ein anderes Beispiel: Ein Kollege hat aus einer Kurzgeschichte von mir ein Theaterstück gemacht. Der hat das wirklich gut für die Bühne umgearbeitet. Das wird April (2013) am Landestheater in St. Pölten aufgeführt. Der Kollege hat was wirklich Geniales aus meiner Story gemacht. Das hat mir schon sehr geschmeichelt.
F: Das ist aber ein Theatermann, oder? Ein Mann vom Fach? Einer, der gewußt hat, wo er ansetzen mußte?
A: Er kommt vom Genre, ist aber nicht unbedingt ein Theater-Fachmann. Es handelt sich um eine Sherlock Holmes-Geschichte mit Science Fiction-Elementen, und er ist ein Holmes-Fan. Er hat die Stärken der Geschichte noch mehr ausgearbeitet, das hat mir sehr getaugt.
F: Eine letzte Frage. Du schreibst nach wie vor sehr viele Kurzgeschichten, mit Lust und Laune. Wir beide wissen, daß damit nicht viel Geld zu holen ist, und dennoch schaust Du immer wieder zu, in diversen Anthologien veröffentlicht zu werden …
A: Ich nehme mir nun schon seit sechs Jahren vor, keine Kurzgeschichten mehr zu schreiben. Sie sind extrem zeitaufwendig und finanziell bringen sie’s überhaupt nicht. Sie halten mich eigentlich von der Arbeit an meinen Romanen ab.
Aber dann hab ich eine Idee, die hakt sich irgendwie im Hinterkopf fest und ich denk mir: Gott sei Dank, die muß ich nicht schreiben, weil ich hab ja gar keine Anfrage, für eine Anthologie was zu machen. Und Du kannst Gift drauf nehmen: Bald darauf kommt eine passende Anfrage von irgendwoher. Ich hab also die Idee, die steckt bei mir im Kopf fest – und dann muß ich die Story einfach schreiben. Das ist wie eine Zwangsneurose. Von dem Zwang, Kurzgeschichten zu schreiben, werde ich wahrscheinlich meinen Lebtag lang nicht wegkommen.
F: Liest Du gerne Kurzgeschichten?
A: Die Sammlungen, in denen ich selbst vertreten bin, les ich, ehrlich gesagt, nur ganz selten. Solche Bücher sind das Produkt meiner Arbeit, die verbinde ich mit Arbeit, und da hab ich keine sonderliche Lust mehr, mich damit zu beschäftigen. Aber sonst lese ich gerne Kurzgeschichtensammlungen, zum Beispiel von Robert Sheckley, der viele gesellschaftssatirische Storys hat, oder von William Tenn, von dem in den 50er und 60er Jahren beispielsweise mit „Mögliche Welten“, „Der menschliche Standpunkt“ oder „Das Robothaus“ großartige Sammlungen bei Heyne erschienen sind …
Damit ist das Interview offiziell zu Ende. Immer wieder wollen nun Interessierte, die wegen der Anthologie „Tatort Prater“ zur Lesung gekommen sind, ein Autogramm von Andreas abholen. Geduldig kümmert er sich um Leserwünsche, während wir zwanglos weiter plaudern. Er ist wie ich Comic-Fan, liebt vor allem klassische (franko)belgische Comics wie Tim & Struppi oder Jeff Jordan, aber auch Serien wie Dylan Dog. Es wird ein längeres Schnattern, in dem es lang und breit über die Mühen und die Freuden des Autorenlebens geht – und es wird noch ein sehr gemütlicher Abend.
Die Photos stammen allesamt aus dem persönlichen Fundus von Andreas, sie zeigen ihn in allen möglichen Lebenslagen.