Ein Horror-Schreibexperiment

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Während der letzten Tage saß ich an meinem Beitrag zur Horror Factory, wie das von Bastei Lübbe gestartete Experiment einer E-book-Serie im – no na! – Horror-Genre heißt. Der Text wird vorerst bloß als E-book und als Hörbuch zum Downloaden vertrieben, ein physischer Verkauf kommt, wenn überhaupt, erst später. Der erste „Band“ der Serie wird am 29. Mai online gestellt, die folgenden erscheinen im vierzehntägigen Rhythmus. Jede Story ist in sich abgeschlossen, jeder Autor findet seinen ganz eigenen Zugang zum Horror. Die Texte sind etwas kürzer als Heftromane, ich würde sie als „Novellen“ bezeichnen.

Soweit die Fakten. Nun war ich nach zwei PERRY RHODAN-Romanen hintereinander froh, mal wieder mehr Ellbogenfreiheit genießen zu dürfen. Das Arbeiten nach Fremd-Exposés hat seinen Reiz, aber ich bin auch glücklich, wenn sich für mich die Gelegenheit ergibt, mal in andere Genres reinzuschnuppern und andere Formate auszuprobieren.

Ich hatte dem zuständigen Story-Redakteur, Uwe Voehl, schon vor geraumer Zeit einen Handlungsvorschlag unterbreitet und dann nicht weiter über den Inhalt nachgedacht. Es gab lediglich eine vage Idee und einige Eckpunkte, die ich einhalten wollte, um ausreichend Grusel-Feeling beim Leser zu erzeugen.

Als ich nun an die eigentliche Schreibarbeit ran ging, entschloß ich mich, mal nach längerer Zeit wieder völlig frei und assoziativ zu arbeiten. Sprich: Ich nahm meinen ursprünglichen Ausgangspunkt der Geschichte und ließ mich von dort aus durch die Handlung treiben.

Dieser Ausgangspunkt ist eigentlich völlig banal. Ich kann so viel verraten, daß es sich um ein Klassentreffen handelt, bei dem ehemalige Schulfreunde und -feinde aufeinandertreffen, die sich schon lange nicht mehr gesehen haben. Alles weitere überließ ich meinem Instinkt.

Ich erfuhr erst während des Schreibens, daß einiger Sex passieren würde, daß mein Held kein all zu toller Kerl ist, daß ich mit ihm in einem portugiesischen Restaurant landen würde, daß ich die Historie eines Wiener Palais nacherzählen würde, daß Tiere eine große Rolle spielen sollten. Ich konnte einen Beruf erfinden, den es meines Wissens nach gar nicht gibt, diesen Job in geschichtliche Zusammenhänge einweben und ihm eine gewisse Glaubwürdigkeit verschaffen, ein seltsames Party-Gimmick erfinden (für das ich die Rechte ab Erscheinen des Textes bitteschön beanspruche!) und, naja, einige heftige Horror-Szenen andeuten.

Es war interessant mitzuerleben, wohin mich mein Weg führte. Ich wusste zu keinem Moment, was mein Held als nächster vorhatte. Ich ließ mich von ihm leiten. Das ist jetzt nicht sooo ungewöhnlich, wie es sich anhört. Doch normalerweise weiß ein Autor, wo der Weg enden wird. Bei meiner Story war das nicht der Fall. Ich erfuhr die Auflösung erst einen Tag, bevor ich mit dem Text fertig war, und sie war dann auch für mich einigermaßen überraschend.

Da arbeitet natürlich mein Unterbewußtsein sehr viel mit. Im Text fanden sich einige Spuren und Hinweise, die ich zum Ende hin verwenden konnte, um die Geschichte „gut“ aufzulösen. Ich mußte aber auch nachträglich einige Situationen überarbeiten, um meinen Beitrag zur Horror Factory rund wirken zu lassen.

Es war eine ungemein spannende Reise, die ich da machte. Eigentlich war’s ein freier Fall, bei dem ich nicht wußte, ob sich der Rettungsfallschirm tatsächlich öffnen würde – oder ob ich denn einen umgeschnallt hatte. Die Arbeit hätte in einer Katastrophe münden, ich hätte mich völlig verzetteln können und nochmals von vorne anfangen müssen. Das war das Risiko, dem ich mich bewußt aussetzte. Jetzt, im nachhinein, kann ich mit aller Zufriedenheit sagen: Ich liebe den freien Fall! Dieses Gefühl ist mit nichts vergleichbar …

Nun, in den nächsten Tagen und Wochen geht’s zurück zu PERRY RHODAN. Zu einem Expo, das mir ebenfalls sehr viele Freiheiten erlaubt, und darüber bin ich ganz schön froh. Eingezwängt zwischen unzähligen Datenblättern und einer engen Handlungsvorgabe wolltert ich derzeit nicht schreiben.

4 Kommentare Gib deinen ab

  1. Heinz-Ulrich "overhead" Grenda sagt:

    Hört sich ja ganz nach „Glücksgefühlen“ für Dich an……..
    Sei Dir gegönnt, weil Deine Leser ja wohl dann beim
    Schmökern dieselben bekommen………………..

    Gruß Dein Fan
    Heinz-Ulrich „overhead“

  2. Gibt es jetzt eigentlich schon nähere Infos dazu, ob die Factory auch als gedrucktes Werk escheinen wird?

    1. mmthurner sagt:

      Servus Oliver,

      nein, leider. Wenn jemand was weiß, dann Uwe Voehl. Den erreichst Du unter anderem über Facebook. Aber ich vermute, daß da schon noch einige Monate vergehen müssen, bevor eine gedruckte Version in Zweitverwertung in Frage kommt.

      Schöne Grüße, Michael

      1. Servus! Das ging ja fix mit der Antwort. Danke!
        Ich gehöre allerdings zu den wenigen die sich bisher erfolgreich vor Facebook gedrückt haben. 😉

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