Michael Marcus Thurner: Ich glaube, der Begriff »Tausendsassa« wurde extra für dich erfunden. Ich kenne dich als Redakteur eines leider verblichenen Comic-Fachmagazins (»Comic-Forum«), als Journalist, als Comic-Texter und -scribbler, als Buchautor, als Kuriositäten-Sammler, als Übersetzer, als Gestalter eines ganz speziellen Wiener Stadtplans, als Kurator von Ausstellungen, als Miterfinder von »Wickie, Slime und Paiper«, einer Retro-Welle, in der die Erinnerung an die siebziger und die achtziger Jahre erneut heraufbeschworen wurde, als Spiele-Erfinder – und sogar als Hauptfigur eines Comic-Strips namens »Fred«.
Habe ich etwas vergessen? – Ja. Und zwar die eigentliche Frage: Ist das bei dir ein Drang, dich immer wieder neu zu erfinden als Kreativer? Bist du diesbezüglich ein Getriebener, oder geht es eher profan darum, mit guten Ideen den Lebensunterhalt zu bestreiten?
Harald Havas: Zur ersten Frage: Man könnte diese Liste tatsächlich noch fortsetzen, aber das wäre vermutlich nach einer Weile ermüdend. Aber vielleicht sollte man als Ergänzung erwähnen, dass ich auch als Juror, Vortragender und Forschender im Comic-Bereich tätig bin. Gerade in Deutschland kennt man mich am ehesten in diesen Funktionen.
Zur anderen Frage: nun, beides. Nur sehr wenige meiner Projekte habe ich in Angriff genommen, weil ich eine Idee unbedingt umsetzen wollte. Ich bin nicht der Typ von Autor, der ein Buch schreibt und dann einen Verlag sucht, sondern der Typ, der mit einer Idee zu Verlagen geht und sich erst, wenn einer zusagt, tatsächlich an die Tastatur setzt. Das ist schlicht auch überlebensnotwendig. Dennoch bin ich natürlich in erster Linie Kreativer und habe eine große Lust, mich durchaus in recht verschiedenen Bereichen und Genres auszutoben. Hätte ich die nicht, würde ich vermutlich schon lange in irgendeiner Redaktion, einer Werbeagentur oder sonst wo meine Stunden absitzen.
Aber es gibt auch Ausnahmen: Die phonetischen Karten waren ein schneller Gag für meinen Facebook-Account und sind mittlerweile zu Postkarten, Plakaten und einem kleinen Job für den Wiener Tourismusverband geworden!
Michael Marcus Thurner: Kommen wir zu deiner Geschichte als PERRY-Leser. Da gab und gibt es einige Berührungspunkte, obwohl du nun kein eingeschworener Stammleser bist. Aber du bist auf besondere Art und Weise von einem PERRY RHODAN-Autor »angefixt« worden, von Ernst Vlcek. Wann war das, wie hat er dich denn verführt?
Harald Havas: Die Geschichte beginnt mit einem doppelten Zufall. Während eines Wandertags mit der Schule fand ich, bereits Science-Fiction Fan durch Fernsehserien wie »Raumschiff Enterprise« oder »UFO«, auf einer Bank ein schon leicht durchnässtes und von irgend jemandem liegengelassenes PERRY-Heft. Das habe ich im Laufe des Wandertags bereits im Gehen verschlungen. Und später meinem um einige Jahre älteren Bruder davon erzählt. Denn ich wusste, dass auch er ein Faible für Science Fiction hatte.
Er nickte daraufhin wissend und stellte sich als gelegentlicher PR-Leser heraus. Außerdem erzählte er mir, dass einer seiner Nachbarn sogar Autor der Serie sei – Ernst Vlcek! Das war Ende der siebziger Jahre. Mein Bruder hat mich dann einmal Ernst vorgestellt. Der schritt großzügig zum Schrank und überreichte mir die Hefte eins bis hundert, in verschiedenen Auflagen durchgemischt.
Die habe ich mit Begeisterung gelesen. Und bin dann immer wieder phasenweise in PERRY eingetaucht. Ich bin aber an meinem eigenen Anspruch gescheitert. Eine Weile habe ich nämlich die 4. Auflage parallel zur 1. Auflage gelesen, mit dem Ziel, eines Tages die ganze Serie gelesen zu haben. Das erwies sich in der Praxis neben Schule, Uni, Jobs und anderen Interessen aber leider als undurchführbar, und ich hab irgendwann aufgegeben. Aber ich war immer wieder mal für einen Zyklus mit dabei.
Michael Marcus Thurner: Einen kleinen Fußabdruck im Perryversum hast du als Mitübersetzer des Thoregon-Zyklus ins Englische hinterlassen. Dieser Versuch, in den USA neuerlich Fuß zu fassen, ist leider recht bald gescheitert. Meines Wissens wurden lediglich die Heftromane 1800 bis 1803 übersetzt. Was war denn deine Aufgabe dabei gewesen?
Harald Havas: Durch die 1997 schon existierenden Segnungen des weltweiten Netzes und diverser Online-Foren hatte ich Kontakt zu einem Amerikaner, Dwight Decker, seines Zeichens amerikanischer Übersetzer europäischer Disney-Comics. Klingt seltsam, ist aber so. Wir haben uns immer wieder zu diversen Comic-Themen ausgetauscht. Und als er als Übersetzer von PERRY RHODAN angeheuert wurde, wurde ich sozusagen von ihm als Coach engagiert. Das heißt, ich sorgte für die Aufklärung missverständlicher deutscher Formulierungen und konnte etwas leichter als er Bezüge und Fachausdrücke aus dem Perryversum recherchieren. PERRY war damals noch nicht besonders stark online vertreten.
Das hat mir viel Spaß gemacht, und ich hätte das sicher auch gerne noch weiter betrieben, aber leider war die amerikanische Ausgabe nicht sehr erfolgreich. Aber immerhin blieb ich dadurch dem »Thoregon«-Zyklus als Leser bis zum bitteren Ende erhalten.
Michael Marcus Thurner: Es gibt auch einige Berührungspunkte im sehr fruchtbaren Wiener Kreativ-Umfeld. Michi Wittmann kennst du sehr gut als Zeichner – und Leo Lukas aus der Kabarettisten-Szene. Hab ich doch ein Berufsbild in deiner Beschreibung vergessen?
Harald Havas: Michel Wittmann kenne ich schon lange aus der österreichischen Comic-Szene. Und Leo Lukas eben aus dem Kabarettbereich.
Ja, es gibt tatsächlich eine Tätigkeit, die oben nicht erwähnt wurde. Ein Freund von mir, Olivier Lendl, ist Kabarettist und ich habe ihn ab 1996 PR-mäßig – diesmal meine ich damit Public Relations und nicht Perry Rhodan – unterstützt. Daraus wurde für mich mehr oder weniger die Tätigkeit eines Managers. Und über verschiedene Auftrittsorte, Festivals und Ähnliches lernte ich nach und nach einen Großteil der heimischen Kabarettszene kennen.
Unter anderem Leo Lukas. Außerdem ist Leo im Rateteam von »Was gibt es Neues?«, die österreichische Version des deutschen Comedy-Rate-Show »Genial daneben«. Für diese Sendung habe ich zu Beginn aufgrund meines großen, nun, einschlägigen Wissens, nun, einschlägige Fragen beigesteuert. Und tue das immer noch gelegentlich.
Michael Marcus Thurner: Ich glaube, Leo war es auch, der dich dazu verleitet hat, ab Band 2700 wieder mal in die Serie reinzuschauen, nachdem du nach dem »Thoregon«-Zyklus eine längere Pause gemacht hast. Du konsumierst die Hörbücher, nicht wahr? Ist das ein Medium, das dich besonders anspricht? Wie ist es denn im Vergleich zum tatsächlichen Lesen?
Harald Havas: Ich glaube, du warst der Verführer! Eigentlich lag es an der Existenz der Hörbücher, dass ich wieder eingestiegen bin. Ich komme nämlich aktuell sehr wenig zum Lesen, aber da ich immer in der Nacht mit dem Hund meiner Tochter eine größere Runde drehe, drehen muss, und das eher langweilig ist, konsumiere ich dabei per Smartphone Hörbücher.
Als ich nach einigen Versuchen drauf kam, dass Unterhaltung dabei besser funktioniert als Sachbücher oder anspruchsvollere Literatur, bin ich unter anderem die lange von mir vernachlässigten »Scheibenwelt«-Romane angegangen sowie einige »Star Trek«-Romane oder »Artemis Fowl«, den »kleinen Bruder« von »Harry Potter«. Dann ist mir meine alte Flamme PERRY RHODAN eingefallen – und das erschien mir eine geniale Kombination zu sein! Ich habe dann jemanden, und ich bin ziemlich sicher, dass das du warst, bei einem Comic-Con gefragt, wo denn ein Wiedereinstieg sinnvoll wäre. Mir wurde Band 2700 angeraten, ich hab angefangen und bin dabei geblieben!
Aktuell bin ich bei Nummer 2769, von eurem jüngst verstorbenen Kollegen Rainer Castor. Und ich komme bei diesem Band nicht umhin – und das ist bitte mit einem seufzenden Augenzwinkern zu verstehen und nicht bösartig –, mich zu fragen, ob wir wohl dem Geheimnis des Universums einen Schritt näher kämen, wenn wir all die Zahlen in diesem Roman addieren würden …
Einen wirklichen Unterschied zum Lesen kann ich eigentlich nicht feststellen. Außer dass mir das Fehlen der Leserbriefe und anderer redaktioneller Beiträge erspart, meinem Hang zum Perfektionismus zu erliegen. Ich bin früher oft mit den Heften nicht weitergekommen, weil ich noch nicht jeden Buchstaben der Beitexte ausgelesen hatte …
Ein zweiter Unterschied ist der: Ich bin ein sehr visueller Mensch und merke mir unter anderem die Namen Hunderter, wenn nicht Tausender Romanfiguren oder Superhelden durchs Lesen. Aber beim Hören merke ich mir praktisch keinen Namen. So könnte ich auch nach siebzig Bänden einige der wichtigsten Handlungsfiguren, sagen wir zum Beispiel den Tamaron der Tefroder, nicht sicher benennen.
Michael Marcus Thurner: Du hörst also den 2700er-Zyklus und bist demnach ein wenig hintennach. Dennoch möcht ich fragen, wie du denn mit der Serie zufrieden bist? Gibt es Wünsche an das Autorenteam und die Redaktion, Kritik, Verbesserungsvorschläge?
Harald Havas: Also, die Zusammenarbeit hat sich gegenüber früher eindeutig professionalisiert. Es gibt kaum logische Anschlussfehler, die früher immer wieder vorkamen. Auch die handelnden Personen sind charakterlich über die Romane verschiedener Autoren hinweg erstaunlich konsistent. Das geht etwas zu Lasten der früher ausgeprägteren Individualität der Autoren, macht dafür aber die Gesamtstory angenehmer und flüssiger. Obwohl … gerade deine Romane und die von Leo würde ich sofort blind erkennen! Tatsächlich bin ich aber sehr zufrieden und hab nicht wirklich etwas anzumerken.
Das Einzige, das ich mir ab und zu im aktuellen Zyklus denke, ist, dass man nach drei bis vier Jahren Herrschaft der Onryonen in der Milchstraße doch schon den einen oder anderen Gefangenen gemacht haben müsste und daher mehr über das Volk und das Tribunal wissen sollte, als der aktuelle Stand mir weismacht. Und vielleicht auch das eine oder andere Stück Beutetechnik über den einzigen Linearraumtorpedo hinaus. Aber das sind, wie man so sagt, Erdnüsse.
Nein, tatsächlich, ich bin sehr zufrieden. Und hab bei durchschnittlich zwei Bänden pro Woche glücklicherweise auch noch einiges vor mir.
Übrigens sind die Sprecher alle sehr gut, auch wenn sie sich manchmal nicht darüber einig sind, ob es nun BostiCH oder BostiTSCH heißt, und alle Gucky ein wenig anders interpretieren. Ach ja, und wenn niemand Renier Baaken sagen könnte, dass ich noch immer jedes Mal darüber stolpere, wenn er »beob-achten« statt »be-obachten« sagt, wäre das nett.
Michael Marcus Thurner: Lass uns nun zu Deinen Büchern kommen. In letzter Zeit hast Du mehrere »Bücher mit unnötigem Wissen« zu Österreich und im Speziellen zu Wien herausgebracht. Da klärst Du die Leser über Kuriositäten aus naher und ferner Vergangenheit auf. Welche Zahnradbahn es in Wien mal gab, wo genau der östlichste Punkt der Stadt liegt, warum in der Mauer von Schloss Neugebäude unzählige Urnengräber eingefasst sind, wie die Ringstraßenabschnitte rings um die Wiener Innenstadt zu ihren Namen kamen, warum jemand den Neusiedler See austrocknen lassen wollte … Das sind für mich als begeisterten Wiener Schätze, die ich immer wieder gerne berge.
Wie kann man sich die Entstehung eines derartigen Buchs vorstellen? Gehst Du wochenlang durch die Stadt und siehst Dich um? Recherchierst Du viel im Internet? Bekommst Du Zurufe von Freunden und Bekannten?
Harald Havas: Alles davon. Konkret ist es so, dass ich mir einfach im Laufe der Zeit, oft über Jahre, die seltsamsten Dinge gemerkt habe und mir dazu noch fast täglich immer wieder neue Sachen auffallen, die einen gewissen Kuriositätswert besitzen. Die sammle ich, im Kopf und auf Listen, und wenn es wieder an ein neues Buch geht, beginne ich sie zu recherchieren. Manchmal stellen sich einzelne Sachen als langweilig heraus, meistens aber gibt es eine interessante Geschichte dazu. Und in vielen Fällen führen mich die Nachforschungen zu ganz neuen Aspekten, an dich vorher gar nicht gedacht habe.
Als ich zum Beispiel einmal die wahre Farbe der Donau – Spoiler: es ist kein Blau! – recherchiert habe, bin ich auf eine Urnenseebestattung auf einem Donauarm bei Wien gekommen! Reiner Zufall, aber gleich wieder etwas, das ich, ironisiert, verbraten konnte. Etwas konkreter: Auf die Pirsch auf die Straße gehe ich eher nicht, aber es fallen mir immer wieder Dinge en passant auf, die ich verarbeiten kann. Die Hauptarbeit ist tatsächlich Recherche im Internet, aber natürlich gehe ich auch Hinweisen gerne nach.
Michael Marcus Thurner: Könntest Du derartig unkonventionelle Führer denn auch über andere Städte schreiben, oder muss man da das passende Heimatgefühl haben? Könntest Du ein derartiges Kuriositätenbuch denn zum Beispiel auch über Hamburg schreiben?
Harald Havas: Das kann ich sogar aus der Praxis beantworten. Erstens habe ich zuletzt zwei Bücher über Kuriositäten aus ganz Österreich geschrieben und bin auch hier nicht in jedem Bundesland gleich heimisch. Und zweitens habe ich tatsächlich schon Kuriositäten außerhalb von Österreich recherchiert und publiziert. Allerdings nicht in Buchform.
Als sich mein erstes Kuriositäten-Buch, das »Wiener Sammelsurium«, als sehr erfolgreich herausgestellt hatte, hat die renommierte Wiener Spielefirma Piatnik daraus mit mir und meinem Co-Autor Ronald Hofstätter ein kreatives Rate- und Quizspiel gleichen Namens entwickelt. Das war ebenfalls sehr erfolgreich, worauf wir gleich das »Österreichische Sammelsurium« als Spiel angeschlossen haben. Das wiederum erfolgreich war. Daraufhin wollte Piatnik weiter expandieren. Es folgte das »Schweizer Sammelsurium«-Spiel mit Co-Autorin Nicole Kolisch, das »Bayerische Sammelsurium«-Spiel und das »Berliner Sammelsurium«-Spiel. Jeweils mit hunderten skurrilen regionalen Fakten und Fragen. Alle Spiele sind übrigens miteinander kombinierbar.
Das Schweizer Spiel ist sogar ziemlich gut gelaufen. Die deutschen leider nicht so, was meiner Meinung nach weniger an der Qualität, als vor allem an der bei Piatnik nur in Spurenelementen vorhandenen Werbetätigkeiten für Deutschland liegt.
Aber natürlich fällt es mir leichter, so etwas über Wien und Österreich zu machen. Außerdem hat meine Arbeit bisher ergeben, dass die Dichte an amüsanten und liebenswerten Absonderlichkeiten und Kuriositäten bei uns deutlich höher ist als etwa in Bayern oder Berlin.
Michael Marcus Thurner: Mit Deinem vorletzten Buch bist Du, wie gesagt, über die Stadtgrenzen Wiens hinausgeraten. Konsequenterweise hast Du den Kuriositäten-Raum mit dem aktuellen Buch »Kurioses Österreich« aufs ganze Bundesgebiet ausgedehnt. Ist denn über Wien schon alles erzählt, oder wolltest Du bloß mal die Stadt hinter Dir lassen?
Harald Havas: Ja und nein. Bei meinem aktuellen Verlag, dem Wiener Metroverlag, bestehen meine Bücher nicht nur aus listenartigen Aufzählungen von Seltsamkeiten aller Art, sondern ich bearbeite die Fakten zu humoristischen und ironischen Essays. Nachdem das erste Buch dieser Art, »Kurioses Wien« so gut lief, haben wir sofort das nächste, »Furioses Wien«, nachfolgen lassen. Das ging ebenfalls sehr gut, worauf ich im dritten Jahr mit dem dritten Buch »Unglaubliches Wien« angeschlossen habe. (Die Reimworte sind uns zwar nicht ausgegangen, aber die Buchhändler waren durch die Ähnlichkeit der Titel etwas verwirrt, deshalb haben wir das wieder gelassen.)
Dann dachten wir, man muss den Bogen nicht überspannen und jede letzte Ecke von Wien ausreizen, wenn vor den Toren der Hauptstadt doch ein ebenfalls mit reichlich Kuriositäten gesegnetes Land liegt! Darum der nunmehr zweimalige Ausflug in die anderen acht Bundesländer mit ihren jeweiligen Skurrilitäten.
Michael Marcus Thurner: Zum Abschluss möcht ich noch zu einem großartigen Projekt kommen, das Du vor einigen Monaten auf die Beine gestellt hast. Es geht um »A.S.H.«, um die »Austrian Superheroes«. Um die erste Comic-Superheldengruppe, die Österreich mit ihren Heldentaten beackert. Bist Du der geistige Vater dieser vorerst auf vier Ausgaben angelegten Comic-Serie?
Harald Havas: Ja. Um auch mal kurz zu antworten 🙂
Michael Marcus Thurner: Die Vorfinanzierung von ASH geschah mit Hilfe von Crowdfunding. Das erhoffte Ziel wurde bei weitem überboten, ihr habt 200 Prozent erreicht. Ich vermute, das hat Deine Erwartungen mehr als übertroffen? Wie werdet ihr den lukrierten Überschuss denn einsetzen? Bleibt hoffentlich für Autoren und Zeichner auch ein bissl was über? Das Überleben im Comic-Bereich ist ja für deutschsprachige Künstler so gut wie unmöglich …
Harald Havas: 200 Prozent klingt natürlich super und ist auch super. Nie hätte ich mit einer derartigen Resonanz gerechnet!
Andererseits sind 200 Prozent von 6000, mit denen wir die Druckkosten abdecken wollen, auch nur gerade 12.000. Minus Provision der Crowdfunding Plattform. Minus Steuern. Minus diverse Ausgaben wie die zu den beiden jeweils achtseitigen Null-Nummern, die wir schon gedruckt haben und gratis verteilen …
Das, was uns noch geblieben ist, bleibt in einer Kampfkasse, für weitere Auftritte bei Comicveranstaltungen und andere notwendige Ausgaben. Die Zeichner – und auch ich – müssen darauf warten, dass und wie gut sich die Hefte am Kiosk und in den österreichischen Trafiken verkaufen werden. Aber ich bin so vermessen zu behaupten, dass wir alle miteinander nicht für Null arbeiten werden.
Michael Marcus Thurner: Mich brauchst Du nicht mehr davon überzeugen, dass man die ASH-Comics ab März 2016 unbedingt kaufen und lesen muss. Aber sag mal, was Du und die anderen Kreativen bei ASH besonders gut gemacht habt. Sind es die außergewöhnlichen Figuren wie das Donauweibchen, Captain Austria oder Lady Heumarkt? Ist es der Schmäh, den ihr einfließen lasst, sind es Qualität der Texte und der Bilder, ist es ein Mix von alledem?
Harald Havas: Jetzt antworte ich hier doch etwas länger auf die implizite Frage von oben. Was wir vorhaben, ist, eine im Prinzip klassische amerikanische Superheldenstory zu erzählen. Vielleicht etwas näher an Marvel dran als an DC, mit klassischen Charakteren, Superkräften, Geheimidentitäten und Bösewichtern. Der einzige Unterschied ist, dass die Handlung in Wien und in anderen Teilen Österreichs angesiedelt ist. Und dass natürlich auch die Charaktere hier beheimatet sind.
Das ist das Ziel und daran arbeiten wir gerade. Abgesehen davon wird es naturgemäß einige Besonderheiten geben. Wir haben im deutschsprachigen Raum keine – oder korrekterweise kaum – professionelle Superhelden-Zeichner. Das heißt, dass sich unser Team mit dem jeweils eigenen Stil und den eigenen Fähigkeiten dem amerikanischen Standard eines fantastischen Realismus annähert. Und ja, ich finde, das machen unsere Jungs und Mädels tatsächlich besonders gut.
Was die Story betrifft und auch die Charaktere, versuche ich all das möglichst ernst zu nehmen. So, wie PERRY sprechende Mausbiber und gefühlsbetonte Monsterwesen oder sogar – im Rahmen der Möglichkeit – so etwas wie die Matten-Willys ernst nimmt und damit ernsthafte Geschichten erzählt. So solle es auch mit unseren jugendlichen Helden Captain Austria, der Donaunixe Donauweibchen oder der mutierten Wrestlerin Lady Heumarkt sein. Mit all ihren Macken, Problemen und Krisen.
Während sie natürlich in bunten Kostümen durch die Gegend hüpfen und Bösewichter verdreschen! Wie eben auch Spiderman seit 50 Jahren. Die Serie soll keine Parodie sein, aber natürlich gibt es Augenzwinkern bei der Wahl der Namen, Orte oder Gegner.
Ja, es ist ein Mix aus alledem, das ASH – wie ich glaube – zu einer lesenswerten Comicserie macht. Vorerst ist eine Miniserie bestehend aus vier Heften geplant. Was die Zukunft den österreichischen Helden – und vielleicht auch deutschen und europäischen Superhelden, denn in dem Entwurf meines Superhelden-Kosmos sind die bereits angedacht und vorgesehen – bringt, hängt ganz von der Reaktion der Leser und dem Verkaufserfolg ab. Also, ob vierteiliges Kuriosum oder Beginn etwas viel Größerem, wer weiß …
Mehr zu ASH gibt es hier: ASH
Und hier befinden sich persönliche Informationen zu Harald: Harald Havas
Die Bilder sind Copyright Harald Havas und die jeweiligen Künstler der ASH-Zeichnungen bzw. VPM.