Ich bin Marie beim PERRY RHODAN-Weltcon in Mannheim 2011 begegnet. Damals war sie als junge Künstlerin mit „Frostfeuer“ beschäftigt, einer dreiteiligen Album-Serie, die im Splitter-Verlag erschien und auf einer Geschichte von Kai Meyer beruht.
Vor kurzem hatte ich die Idee, mir von ihr eine Comic-Version des Hundes meiner Tochter zeichnen zu lassen – und sie zu ihren derzeitigen Projekten zu befragen. Herausgekommen ist ein ausführliches Interview, das über Mail geführt wurde. Viel Spaß beim Lesen!
F: Marie, du bist eine freischaffende Comiczeichnerin und Illustratorin aus Berlin und hast trotz deines jugendlichen Alters bereits in vielerlei Hinsicht deine Spuren hinterlassen. Du hast zu Beginn deiner Karriere Mangas illustriert (Krähen bei Tokyopop), hast dann für den Splitter-Verlag die Frostfeuer-Geschichte von Kai Meyer zeichnerisch umgesetzt, bist in der Werbebranche und hin und wieder als Game-Artist tätig. In den letzten Jahren hast du dich nun sehr intensiv mit deinem Label Kinky Karrot beschäftigt.
Habe ich etwas ausgelassen, wo hast du dich noch überall bewegt?
A: Mittlerweile muss ich selbst länger überlegen, was ich im Laufe der nun schon über zehn Jahre als freiberufliche Künstlerin so alles getrieben habe. 🙂
Meine großen bisherigen Buchprojekte hast du erwähnt. Das Zeichnen an Comics ist leider eine sehr undankbare Sache, da die lange Arbeit daran in Deutschland nicht mal ansatzweise angemessen honoriert wird. Trotzdem sollen das nicht die letzten Buchprojekte gewesen sein, die aus meiner Zeichenfeder kommen. Meine Miete zahle ich aber von Arbeiten wie Fashion-, Kinderbuch- oder Coverillustrationen; Charakterdesigns- und Illustrationen, Storyboards und Erklärfilmen. Ich bin sehr froh und dankbar, dass ich meine Leidenschaft – das Zeichnen – auch meinen Beruf nennen darf. Mein langfristiges Ziel ist es aber, meine eigenen Projekte wie Kinky Karrot zu meinen Haupteinnahmequellen zu machen.
F: Ich behaupte mal, dass dich die meisten Leser meines Blogs vom PERRY RHODAN-Weltcon 2011 in Mannheim her kennen. Du hattest zum ersten PERRY RHODAN NEO-Band eine kleine Broschüre illustriert. Die Texte stammten aus dem PERRY-Band 1000 von William Voltz, du hast einige Figuren aus diesem Band visualisiert. Kannst du dich noch erinnern, wie es zu dieser Zusammenarbeit mit der PERRY RHODAN-Redaktion gekommen ist? Mit wem hast du dich bei der Gestaltung der PERRY-Figuren abgesprochen?
A: Ich muss leider sagen, dass ich kein großer Science Fiction Fan bin. Die Arbeit für PERRY RHODAN war eine schöne Abwechslung, aber mehr ist erstmal nicht in dieser Richtung geplant.
F: Ich habe die Frostfeuer-Trilogie vom Splitter-Verlag mit Begeisterung gelesen. Sowohl die Bilder, als auch die textliche Umsetzung von Yann Krehl haben mir sehr gut gefallen. Du hast die Winterstimmung in Sankt Petersburg gut rübergebracht – und vor allem haben mich die Blickwinkel und Perspektiven überzeugt. Einige Szenen im Inneren des »Grand Hotel« waren kafkaesk. Du hast dich über diese drei Alben hinweg meiner Meinung nach auch zeichnerisch deutlich weiterentwickelt.
Wie hat die Zusammenarbeit mit Yann Krehl funktioniert, wie war die Arbeitsaufteilung? Hast du denn die Bildkomposition und die Blickwinkel gewählt oder hattest du Vorgaben?
Gibt es Pläne für weitere große Albenprojekte oder ist das Thema für dich mal abgehakt? Gibt es in Richtung Manga irgendwelche Vorhaben?
A: Ach ja … Das was ein Mammutprojekt … Dadurch, dass ich an der Arbeit an dem Buch so gut wie nichts verdient habe, musste ich noch einen Job (zu der Zeit habe ich drei Tage die Woche freiberuflich als Game Artist bei »Wooga« gearbeitet) parallel machen. Dadurch hat sich aber natürlich die Produktionszeit stark verlängert, wodurch es letztendlich drei Jahre waren, während derer diese Bände entstanden sind. Innerhalb eines solchen Zeitraumes entwickelt man sich natürlich.
Die Zusammenarbeit mit Yann war sehr angenehm und professionell. Er ist ein ganz toller Skripter. Er hat fast immer Vorschläge zu Komposition und Kameraeinstellungen angegeben. Ich konnte dann entscheiden, inwiefern ich ihnen folge.
Was meine Lust angeht, würde ich gern noch tausend Comic-Projekte umsetzen. Da das aus oben genannten Gründen aber nicht realistisch ist (und ich mir nach der Arbeit an »Frostfeuer« geschworen habe, dass ich unter solchen Bedingungen nicht noch einmal ein Buchprojekt machen werde) muss ich sehen, was für Alternativen sich bieten. Ich möchte gern ein Buchprojekt für Kinky Karrot – mein sex-positives Pin-Up-Projekt – in Angriff nehmen. Ein klassisches Comicformat wird aus Grund von Kosten- und Zeiteffizienz nicht möglich sein, aber ich habe schon ein paar andere schöne Ideen.
F: Wenn ich mir anschaue, was du grad aktuell machst, fällt mir zuallererst auf, wie »breit« du aufgestellt bist. Du zeichnest für Werbekunden in allen möglichen Stilrichtungen und hattest auch deine eigene Webcomic-Serie. Für Interessenten zeichnest du süße Comic-Darstellungen ihrer Haustiere.

Ich hab mir bei dir selbst mal ein Bild bestellt, bei dem du dich sehr bemüht hast, den Charakter meines Hundes zu erfassen und aufs Bild zu übertragen. Da sind einige Mails hin- und hergegangen, bist du genug über ihn wusstest. Hat das mit deiner eigenen Liebe zu Haustieren zu tun, zeichnest Du Katz und Hund denn so gerne? Magst du diese Vielseitigkeit, oder bringt das der Beruf nun mal mit sich?
A: Ich denke, meine Vielseitigkeit ist eine meiner großen Stärken und nicht automatisch selbstverständlich für Illustratoren allgemein. Ich sehe es auf jeden Fall als großen Vorteil an, flexibel in Stilen und Techniken zu sein, wenn man für eine große Bandbreite an Kunden arbeiten möchte. So schafft man sich als Freiberufler viel mehr Möglichkeiten, als wenn man sich auf nur einen Stil festlegt. Wichtig ist dabei natürlich, dass man auch in allem, was man anbietet, gut ist. Daher würde ich jetzt nicht pauschal empfehlen, zwanzig verschiedene Stile oder Techniken anzubieten … Wenn man nur in einem oder zweien richtig sicher ist, sollte man sich lieber auf diese konzentrieren, denn Qualität ist natürlich ein wichtiger Faktor.
Mein Interesse, so vielfältig zu zeichnen, liegt einfach an meiner Persönlichkeit. Ich bin ein facettenreicher, neugieriger und wirrer (haha) Mensch mit vielen Interessen, der sich langweilen würde, wenn er sich auf nur einen Stil festlegen müsste.
Tiere gehören tatsächlich zu meinen liebsten Motiven. Ich liebe Tiere – fast schon abgöttisch. Mein Hund Leila ist mir jeden Tag eine große Freude und ich möchte in den nächsten Jahren unbedingt ein zeichnerisches Projekt starten, das das Bewusstsein der Menschen auf den guten Umgang mit Tieren lenkt und in dem ich mit Tierschutzbünden kooperiere.
F: Auf der anderen Seite deines gestalterischen Spektrums finde ich die sinnlichen Bilder von Kinky Karrot, auch solche mit deutlichem Fetisch-Charakter. Wie schwer ist es denn, Erotik in Bildern zu verpacken?
A: Mir fällt das nicht schwer. 🙂
Es macht mir unheimlich viel Spaß, Erotik darzustellen. Kinky Karrot ist ein sehr persönliches Projekt, da ich damit der Öffentlichkeit zeige, was für mich ganz persönlich »gute Erotik« ist. Mich haben Sexualität und erotische Inhalte schon früh zu faszinieren begonnen. Ich wurde aber immer wieder sehr enttäuscht von der Auswahl an »Erotik«, die man auf dem Markt so findet. Gerade als Frau fühlt man sich doch schnell angegriffen und heruntergestuft … Da dachte ich mir, ich mach einfach mein eigenes sexy Projekt, mit Inhalten, die auch Frauen ansprechen.
F: Gelingt dir das? Kaufen überdurchschnittlich viele Frauen deine Drucke oder Originale? Bekommst du viel Bestätigung von weiblicher Seite, wie sind da die Reaktionen?
A: Ich fange gerade erst an, mit dem Projekt gezielt auch auf Frauen zuzugehen. Meine Follower bestehen momentan aus zwei Dritteln Männern und einem Drittel Frauen. Mein Ziel ist aber, im nächsten jahr auf 50/50 zu kommen. Es fällt mir sehr stark und positiv auf, dass sich viele Pärchen gemeinsam Prints von mir aussuchen, um sie sich dann in ihrer Wohnung aufzuhängen. Oft schicken sie mir dann auch Fotos von ihrer neuen kleinen Kinky Karrot Galerie. Das finde ich sehr süß.
Es ist natürlich immer toll, positive Rückmeldungen zu bekommen, egal, ob von Mann oder Frau. Das schönste Kompliment ist für mich allerdings tatsächlich, wenn Frauen mir erzählen, sie finden sich in meinen Bildern wieder und dass ihnen die respektvolle Art der Darstellungen von weiblichen Charakteren gefällt.
F: Mich sprechen die meisten deiner Kinky Karrots-Bilder sehr an. Ich glaube, da steckt einiges an Kompositionsarbeit dahinter. Was braucht es, damit du mit einem Bild zufrieden bist? Was muss es haben, was ist das Besondere für dich?
A: Die Illustrationen für Kinky Karrot sind sehr detailliert und aufwendig. An einem Bild sitze ich vier bis fünf Tage und es fließt viel Liebe und Planung mit hinein. Mir ist bei allen erotischen Darstellungen, die ich mache, wichtig, dass die Charaktere Spaß an ihrer eigenen Sexualität und dem Präsentieren ihres Körpers haben. Sex und Erotik muss Spaß machen und die Figuren in meinen Bildern sollen das ausstrahlen.
Mir ist wichtig, nicht nur »perfekte« Körper zu zeigen, die der »Norm« – geschaffen durch die Werbeindustrie – entsprechen, und daran zu erinnern, dass Schönheit vielfältig ist.
Bisher habe ich nur Frauen gezeichnet; es werden demnächst aber auch die ersten männlichen Pin-Ups entstehen, denn hey – in Kinky Karrot geht es auch um Gleichberechtigung. J Und es gibt bisher viel zu wenige erotische Darstellungen von Männern, während der Frauenkörper übersexualisiert wird.
F: Die Kinky Karrot-Homepage ist englischsprachig, auch deine dazugehörigen youtube-Videos. Verkaufst du dementsprechend viel von deiner Kunst außerhalb des deutschsprachigen Raums, ist diese Internationalisierung erfolgreich?
A: Ja, ich bin sehr zufrieden, wie gut die Internationalisierung allein durch das englische Auftreten im Internet funktioniert. Immer mehr Kunden kommen aus Amerika und anderen Teilen der Welt. Und das, obwohl ich mich bisher nur innerhalb von Europa auf Conventions bewegt habe.
Trotzdem tut es mir leid, dass die Website bisher nur auf Englisch einzusehen ist. Das will ich dieses Jahr noch ändern und auch eine deutsche Option anbieten.
F: Wohin wird dich die Reise führen, Marie? Ist die Etablierung von Kinky Karrot samt (beginnendem) Merchandising der vorläufige Endpunkt deiner beruflichen Entwicklung? Oder sitzt du bereits an anderen, neuen Projekten?
A: Es gibt nie einen Endpunkt, Michael! 🙂 Jedenfalls nicht bei mir. Allein durch Kinky Karrot entwickle ich mich in vielen Hinsichten so extrem weiter. Und das ist ja nicht das einzige Projekt an dem ich arbeite.
Du wirst also noch viel von mir zu sehen bekommen, denn der Stift ruht nie und die Ideen tanzen in meinem Kopf.
Hier geht es zu Kinky Karrot: Kinky Karrot von Marie Sann
„Frostfeuer“ von Marie Sann und Yann Krehl sowie Kay Meyer (Sammelband mit allen drei Alben): Frostfeuer bei Splitter
Das Heftchen mit den Illustrationen zu William Voltz’ PERRY RHODAN-Band 1000 gibt es im PERRY RHODAN-Webshop zum freien Download: Der Terraner/Graffiti
Alle Bilder sind ©Marie Sann.
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