Romeo muss sterben – Subjektive Betrachtungen über das Schreiben

(Ein Gastbeitrag von Gerhard Huber.)

»Wie kommst du denn genau zu dem Ende, das du dir ausgedacht hast für eine Geschichte und was machst du, wenn es nicht klappt?«

Gute Frage, dachte ich mir, als mir eine Leserin eben diese beim ColoniaCon in Köln Ende September 2018 stellte. Kurz zuvor hatte ich mit weiteren Autoren, die wie ich im Rahmen der STELLARIS-Reihe der PERRY RHODAN-Serie Kurzgeschichten veröffentlicht hatten, den Besuchern erläutert, wie wir beim Schreiben vorgehen. Und wir hatten schnell festgestellt: so viele Autoren, so viele Wege.

GH1Mein Weg zum Schreiben begann mit der schier unerschöpflichen Bücherkiste meiner Großeltern und weckte nicht nur mein Interesse für das Lesen und die Literatur, sondern vor allem fürs Schreiben. Mein Großvater war Koch und Konditor und sein kreatives Talent habe ich wohl geerbt, wenn auch das Schreiben meine kreative Spielwiese und Ausdrucksform wurde. Erste schriftstellerische Gehversuche machte ich dabei mit einer Geschichte über einen Zauberer und das Monster von Loch Ness in einem Schulheft samt eigenen Illustrationen. Die Literaturwelt darf sich glücklich schätzen, dass dieses Schulheft verloren ging.

Der Auslöser, das Schreiben etwas ernsthafter zu betreiben, war die Science Fiction. Irgendwann reichte der Lesestoff bei meinen Großeltern nicht mehr aus, ich entdeckte die Stadtbibliothek für mich und las dort alles an SF, was ich in die Finger kriegen konnte und landete über einen Schulfreund auch bei der PERRY RHODAN-Serie. Vor allem hatten es mir Kurzgeschichten angetan, vielleicht dilettiere ich vor allem deshalb gern in dieser Form. Der Schluss einer SF-Story eines englischen oder amerikanischen Autors, ich weiß heute nicht mehr, welche Story das war, sagte mir jedoch überhaupt nicht zu. In einem Anfall jugendlicher Selbstüberschätzung, versuchte ich, diese Story neu zu schreiben und mit einem gefälligeren Ende zu versehen. An diesem Ende scheiterte ich grandios, da ich erkannte, es gehört gewisses Handwerkszeug zum Schreiben: Wie man zu genau dem Ende einer Geschichte gelangt, das einem vorschwebt, ob und wie man diese Geschichte plant und dergleichen mehr. Mein Ehrgeiz war jedenfalls geweckt und ich versuchte dieses Handwerk zu ergründen.

Das Neuschreiben samt anderem Schluss der missfallenen SF-Story hatte nicht funktionieren können, weil es nicht organisch war. Shakespeares »Romeo und Julia« funktioniert nicht mehr, entfaltet nicht die Wirkung, die die Geschichte hat oder haben soll, wenn beispielsweise Romeo überlebt. Romeo muss sterben. Aber alle Theorie ist grau; Gitarre spielen lernt man nicht übers Musik hören, sondern durch Übung am Instrument. So schrieb ich anfangs entsprechend meiner bevorzugten Lektüre viele Science Fiction-Stories, manche mehr als eindeutig von beispielsweise PERRY RHODAN beeinflusst, inspiriert, wenn nicht gar abgekupfert.

Irgendwann kehrte ich der Science Fiction und PERRY RHODAN den Rücken, andere Literatur wurde interessanter. Während meines Studiums tauchte ich in ganz andere literarische Gefilde ab. Da versuchte ich mich dann bei Lesungen in Studentenkneipen und nahm teils gar nicht so unerfolgreich an Literaturwettbewerben teil. Gelernt habe ich vor allem durch die Lesungen. Wenn du vor Publikum sitzt und deinen Text präsentierst, dann muss man raus aus seiner Komfortzone und merkt sehr schnell, ob ein Text wirkt oder nicht oder ob eine Pointe funktioniert, das Ende einer Story passt oder eben nicht.

Es mag ein wenig mystisch oder »esoterisch« klingen, aber im Schreibprozess mischen sich die Figuren durchaus ein und bestimmen oft den Weg zu ihrem Ende. Die Figur erzählt dem Autor ihre Geschichte, er muss sie im Grunde nur aufschreiben. Gut, ganz so einfach ist es dann doch nicht.

Denn wie im echten Leben nimmt es nicht immer den Verlauf, den sich der Autor vorstellt.

Ich hatte mir beispielsweise nicht vorstellen können, schreibend, wieder bei der Science Fiction und vor allem PERRY RHODAN zu landen. Nach dem Studium hatte ich ein paar Jahre auf Sylt gelebt und ganz andere schriftstellerische Wege eingeschlagen. Auf der Insel lernte ich den Dramatiker Harald Mueller kennen, der ein paar meiner Texte gelesen und auseinandergenommen hat. Er bescheinigte mir aber auch, dass ich das Schreibhandwerkszeug schon einigermaßen verinnerlicht und mir zudem einen gewissen eigenen Stil angeeignet hätte. Allerdings stellte ich fest, dass ich ans Schreiben inzwischen zu verkopft ranging. Also zurück zu den Wurzeln. Und das war bei mir im Grunde die Kurzgeschichte und die Science Fiction.

Kurz nach dem Umzug aufs Festland entdeckte ich am Bahnhofskiosk meines neuen Wohnorts den gerade aktuellen PERRY RHODAN-Roman und gelangte umgehend wieder in den Sog der Science Fiction. Schreibend zum einen, aber auch im PERRY RHODAN-Fandom wurde ich aktiv beim Mannheimer PERRY-Stammtisch. Letztlich wurde ich so auf das Schreibcamp und die STELLARIS-Reihe aufmerksam. Bei besagtem PERRY-Stammtisch betreiben wir inzwischen zeitgemäß ein Blog:

PERRY RHODAN-Stammtisch Mannheim

Dort finden sich unter anderem Reiseberichte mit Gucky, einer Figur aus dem PERRY RHODAN-Universum, etwa in der Art wie der Gartenzwerg aus dem Film »Die fabelhafte Welt der Amélie«, der mit einer Freundin der Protagonistin um die Welt reist.

Zugegeben, das mag etwas verschroben klingen, doch es ergeben sich äußerst interessante Begegnungen. Wann trifft man schon mal den stellvertretenden Redakteur der brasilianischen PERRY RHODAN-Edition oder den mongolischen Botschafter Österreichs?

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v.l.n.r.: Botschafter Gunaajav Batjargal, Gucky, Gerhard Huber. Im Hintergrund: Perry Rhodan

Das Schreibcamp besuchte ich nicht nur, weil ich was lernen und mich austauschen wollte, sondern auch, um raus aus der Komfortzone zu gehen und meine vermeintlichen Fähigkeiten auf den Prüfstand zu stellen. Darüber hinaus können sich Kontakte, gute Bekanntschaften und Freundschaften entwickeln. Und Gelegenheiten, mit denen ich nicht gerechnet hätte. So durfte ich zusammen mit Michelle Stern, die ebenfalls im ersten Schreibcamp dabei war, einen MADDRAX-Heftroman schreiben. Zum Zeitpunkt des Schreibcamp-Besuchs hatte ich bereits die Veröffentlichungszusage meiner STELLARIS-Geschichte und kannte den Veröffentlichungstermin. An einem Abend im Schreibcamp eröffnete mir PERRY RHODAN-Chefredakteur Klaus N. Frick nach seinem Gastvortrag, dass er just wenig Stunden vorher den Honorarvertrag meiner Geschichte rausgeschickt hätte. Natürlich freut man sich als Autor über eine Veröffentlichung, zudem, wenn man damit was verdienen kann. Doch vor allem ist es eine schreibmotivierende Bestätigung, dass man wohl das ein oder andere richtig gemacht hat.

Auch im PERRY-Fandom erlebe ich diesen kollegialen aber ebenso freundschaftlichen Austausch. Was ebenfalls unerwartet zu Zusammenarbeiten führen kann. Was dann in der Kooperation mit einem weiteren, späteren Schreibcamp-Teilnehmer gar zur Veröffentlichung eines kürzlich erschienen Fan-Romans führte.

Fan-Roman „Die Heilerin von Hangay“

Man weiß eben doch nie, wie eine Geschichte endet oder was nach dem Ende noch kommen mag. Es empfiehlt sich als Autor neugierig zu bleiben. Romeo muss vielleicht sterben, aber das muss nicht das Ende der Geschichte sein. Oder es ist nur das Ende dieser einen Geschichte, dem eine weitere Geschichte folgt.

Für diesen Text hatte ich übrigens zu Anfang keinerlei Schlusspointe oder Ende im Sinn. Daher beende ich das hier einfach mit dem bei Autoren wohl beliebtesten Wort: ENDE (?)

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Amazon-Seite von Gerhard Huber

Perrypedia-Eintrag über Gerhard Huber

 

Alle Bilder sind © Gerhard Huber.

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  1. Sehr interessanter Beitrag! Ich lese gerade die „Heilerin von Hangay“! Liest sich sehr gut! Bestelle ihm von mir galaktische Grüße! Wir sehen uns bestimmt am 9.02.19 in München.

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