Es war das Jahr 1999: Ich beschäftigte mich ernsthaft mit einem PERRY RHODAN-Fan-Manuskript, das letztlich im Rahmen der Edition bei der PR-FanZentrale erscheinen sollte. Es hieß Mit den Augen des Mörders. Ein Thema darin war die virtuelle Realität bzw. das Reinschlüpfen in eine fremde Identität.
Ausgangspunkt dieses ersten längeren Textes, den ich je geschrieben hatte, war eine Szene, in der eine meiner Handlungsfiguren in einen Ertruser „schlüpft“ und durch eine wilde, ungezähmte Naturlandschaft läuft. Ich wollte ganz, ganz nahe an der Figur des Ertrusers dran bleiben, eines ungemein starken und mächtigen Geschöpfs. Ich bemühte mich, dem Leser jeden Atemzug, jeden Herzschlag bewusst zu machen und die unbändige Kraft fühlen zu lassen, die in einem Umweltangepassten steckt.
An diese Arbeit musste ich denken, als ich mich mit dem Exposé zu PERRY RHODAN-Band 3066 auseinandersetzte. Ich hatte eine ganz besondere Figur zur Verfügung: Icho Tolot. Den erfahrensten aller Haluter und den ältesten der Unsterblichen. Einen Koloss mit überragenden körperlichen und geistigen Fähigkeiten.
Zwei Gehirne, zwei Herzen, vier Arme, eine Körpergröße von 3,50 Meter, unglaubliche Reflexe. Ein Magen, der Stein und Metall verarbeiten und in Energie umwandeln kann. Ein Verstand, der mitunter die Leistung eines Rechners übertrumpft. Tolot läuft mit achtzig oder mehr Stundenkilometern dahin, er springt Dutzende Meter hoch, er kann seine Körperstruktur verhärten und lacht bei einem Strahlentreffer, überlebt nackt im Weltall … Tolot ist ein Alptraum für jeden Gegner.
Nun hat der Haluter aber eigentlich eine sensible Natur und ist ein exzellenter Wissenschaftler. Sein nüchterner Verstand macht ihn zu einem der wichtigsten Verbündeten der Terraner.
So wurde Tolot von Karl-Herbert Scheer mit Band 200 in die PERRY RHODAN-Serie eingeführt und charakterisiert. Er entwickelte sich rasch zu einer der wichtigsten sowie beliebtesten Figuren.
Wenn ich nach meinen eigenen Empfindungen gehe, dann ist es genau dieser Widerspruch, der Icho Tolot für die Leser so interessant macht. Er ist das „Biest“ der PERRY RHODAN-Serie, das im Herzen eigentlich ein edler Prinz ist. Er füllt die Rolle einer Figur aus, die fast schon archetypisch ist und seit mehreren Jahrtausenden in allen möglichen Formen durch die erzählende Literatur geistert. Das Märchen „Die Schöne und das Biest“ aus dem 18. Jahrhundert ist beileibe nicht die früheste Geschichte, die sich mit diesem Figurentypus auseinandersetzt.
Verzeiht, wenn ich an dieser Stelle ein wenig herumtheoretisiere. Ich beschäftige mich immer wieder damit, warum eine Figur „funktioniert“ und eine andere nicht. Bei Tolot ist es meiner Meinung nach das Biest-Dasein, das ihn so beliebt macht. Der Leser weiß, dass Tolot ein Geschöpf mit edler Gesinnung ist, für das Freundschaft das höchste Gut ist. Aber er wäre langweilig, wenn der Haluter nicht ab und zu seine wilde Seite herzeigen dürfte. Wenn er in die Drangwäsche kommt, in der sein Verstand nur noch mühsam die Kontrolle behält und das Instinktverhalten stärker und stärker und stärker wird …
Ich habe gejubelt, nachdem ich das Exposé zum Doppelband PERRY RHODAN 3066/67 durchgearbeitet hatte. Es bot mir richtig viele Freiheiten. Ich hatte eine ganze Welt für mich, ich hatte einen Haluter in Drangwäsche und ich hatte ein Personarium, das ich mir teilweise selbst zusammenstellen konnte (so kam auch mein Lieblings-Posbi Gustav zu einer kleinen Rolle).
Ich denke, ich habe diese Freiheiten recht gut genützt. Ich sage das nicht oft: Ich war mit der Arbeit an „Drangwäsche“ – bis auf ein paar Kleinigkeiten – sehr zufrieden. Band 3066 ist mir einer der liebsten Romane, die ich je für PERRY RHODAN geschrieben habe. Ich bin schon gespannt, ob es die Leser genauso sehen.
Lieber Michael,
Der Roman hat mir sehr gut gefallen! Vom Haluter bis hin zu den „Überraschungen“ der Handlung. Aber womit hat sich Fischamend den Shout-Out verdient?
Servus Gilbert, danke fürs Lob.
Fischamend ist mir spontan eingefallen. Es hätte auch Gramatneusiedl, Mooskirchen oder Tausendblum sein können.