Das bizarre Sexualleben der Tiere

Das ist der Titel des wichtigsten Buchs seit Jahren für mich. Ja. Wirklich.
„Das bizarre Sexualleben der Tiere – Ein populäres Lexikon von Aal bis Zebra“, so lautet der ganze Titel. Autor ist Michael Miersch. Und ja, es geht in dem Buch ausschließlich um Sex.
Ich habe es tatsächlich aus einer Mülltonne geholt, nebst anderen Büchern, die ein unglaublich ignoranter Mensch dort entsorgt hatte. (Seitdem habe ich auch zusätzliche alte Ausgaben der „Geschichten aus 1001er Nacht“ und „Die schönsten Sagen des klassischen Altertums“ in einem meiner Regale stehen.)

Was aber begeistert mich an dem Buch über die Sexualpraktiken der Tiere so sehr? Will man denn wissen, wie es Riesenanglerfische,  Meerschweinchen, Ratten und Kamele miteinander tun? Warum begeistert das einen Menschen derart, dass er darüber einen Blogbeitrag schreibt?

Weil ich – unter anderem – Science Fiction-Autor bin. Weil ich bewiesen bekomme, dass meine Fantasie locker vom Einfallreichtum der irdischen Natur übertrumpft wird. Weil mein Kopf schon nach wenigen Seiten des Lesens voll ist mit neuen Ideen und Ansätzen. Weil es noch so unendlich viel zu lernen gibt.

Männliche Riesenanglerfische verschmelzen beim Verkehr mit den deutlich größeren Weibchen. Die Männchen mancher Arten verkümmern sogar, bis nur noch die Hoden übriggeblieben sind. Zehn Prozent der Meerschweinchen sind schwul, Ratten haben eine Art Penisknochen, um den verhärteten Begattungspfropfen eines Konkurrenten aus dem Weibchen herausziehen zu können, und Kamelhengste trinken das Urin der Stuten, um deren sexuelle Erregung zu erschmecken.
Es gibt Transvestiten im Tierreich. Tiere, die ihr Geschlecht wechseln können. Tierarten, die zugleich ein-, aber auch mehrgeschlechtlich sind. Sie rammeln sechs Sekunden oder vierzig Stunden lang. Sie legen ein Ei oder Millionen davon. Weibliche Affen beißen sich Holzstücke zurecht, um sie als Dildos zu verwenden. Sie wechseln den Partner im Minutentakt, sie geben sich Orgien hin, sie bleiben ein Leben lang treu …

Einiges davon habe ich schon gehört oder gelesen, aber so viel geballtes Wissen auf einem Haufen – das ist eine Waffe in der Hand eines Autors. Nicht, dass ich diese Dinge detailliert in meinen Texten beschreiben wollte. Ganz im Gegenteil. Sie sind bloß Anregungen. Sie helfen mir, neue oder ungewöhnliche Gesellschaftsformen zu entwickeln. Sie sind ein Ausgangspunkt für Geschichten.
Wie kann eine Zivilisation funktionieren, die bei der Fortpflanzung auf Umstände wie bei den Mississippi-Alligatoren angewiesen ist? (Steigt die Außentemperatur auf 33 Grad, kommen nur noch Männchen zur Welt, bei niedrigeren Temperaturen sind die Weibchen in der Überzahl.) Was bedeutet das für das Gesellschaftsleben, die Ethik, den Umgang der Geschlechter untereinander?

Das Buch ist über 20 Jahre alt und ich muss im Zweifelsfall natürlich nachrecherchieren, ob die Texte dem aktuellen Stand der Dinge in der Forschung entsprechen. Aber so viele neue Schreibimpulse habe ich schon lange nicht mehr bekommen.
Und jetzt entschuldigt mich bitte. Ich muss nachlesen, warum sich einige Adeliepinguinweibchen als Prostituierte betätigen …

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