Interview mit … Philipp M.

Philipp M. hat mich kürzlich über die Kontaktadresse meiner Homepage angemailt und mir ein paar Zeilen zu seiner „Karriere“ als PERRY RHODAN-Leser und der seines Vaters geschrieben. Ich fand seinen Kommentar derart interessant und anrührend, dass ich Philipp zu einem kleinen Interview gebeten habe.

Philipp, erzähl mir bitte vorab ein wenig über dich selbst. Woher kommst du, wie alt bist du, was machst du beruflich?

Philipp: Ich wurde in Münster geboren, bin 24 Jahre alt und wohne auch aktuell dort. Aufgewachsen bin ich in einem kleinen Dorf in der Nähe von Münster. Fürs Studium bin ich dann vor vier Jahren in die Stadt gezogen. Aktuell studiere ich im Master Philosophie, im Bachelor war noch Geschichte dabei. Ich studiere nicht auf Lehramt, sondern, wie man so schön sagt, auf „Taxifahrer“. 🙂 Neben dem Studium hab ich zur Finanzierung noch einen kleinen Nebenjob und verbringe sehr viel Zeit bei Radio Q. Das ist unser ehrenamtlicher Campus-Radio-Sender in Münster. Später würde ich gerne im Journalismus arbeiten, wobei Autor auch ganz gut klingt. Ich wollte mal ein 5 – 10minütiges Hörspiel fürs Radio schreiben und hatte, ehe ich mich versah, an einem Abend eine mehr als 20seitige Science Fiction-Geschichte geschrieben.

Du fällst insofern ein wenig aus der Reihe, als du für einen PERRY-Leser recht jung bist. Wie bist du denn zu PERRY RHODAN gekommen und wie lange bist du bei der Serie schon mit dabei? Welcher Zyklus gefällt dir am besten, welche Figuren magst du besonders?

Philipp: Zur Serie bin ich über meinen Vater gekommen. Der hat die Serie seit Jahrzehnten gelesen. Wann er genau angefangen hat, weiß ich gar nicht genau, aber er wird schon so an die zweitausend Romane auf dem Buckel haben.
Die erste spezielle Erinnerung habe ich an das Cover von „Der Sternenbastard“. Ich hab als Kind immer wieder mal versucht zu lesen, aber in dem Alter hab ich es meist nur bis zum zehnten Band eines Zyklus geschafft. Der erste vollständige Zyklus, den ich gelesen hab, war der mit den Vatrox und dem Okrill Philip (sehr sympathische Figur mit sehr sympathischem Namen, wie ich finde).
(Anmerkung: gemeint ist der „Stardust-Zyklus“ ab Band 2500)
Zu Beginn des Studiums wurde es weniger, weil ich für die Uni einfach so viel lesen muss. Der aktuelle Zyklus soll jetzt, wenn alles nach Plan läuft, der zweite sein, den ich komplett durchlese. Was die Lieblingsfiguren angeht, bin ich eigentlich recht flexibel. Monkey halte ich für einen spannenden Charakter. Julian Tifflor, der Ewigkeiten durch den Zeitstrahl gewandert ist, fasziniert mich allein wegen dieser Geschichte ungemein. Trotzdem: Für mich war es immer Ronald Tekener – aber der arme Kerl ist ja nicht mehr …

Richtig. Du hast in deinem ersten Mail angesprochen, dass du mir wegen des Tods Tekeners immer noch ein bissl böse bist. Was machte denn für dich diese Figur aus? Was hatte sie, was zum Beispiel Atlan oder Monkey nicht haben (um zwei Vertreter der eher „härteren“ Linie bei PERRY RHODAN zu nennen)?

Philipp: Tekener gehörte zwar auch zu den Vertretern der härteren Liie, hatte aber einen ganz eigenen Charme. Die Romane mit ihm waren immer mehr Undercover als hochoffizielle Mission. Und in den meisten Fällen trieb sich Tek an besonders zwielichtigen Orten um. Er hatte dabei auch mit allen Wesen (ob humanoid oder nicht) angebandelt, die bei drei nicht auf den Bäumen waren. 🙂 Ein wenig erinnerte das an eine Mischung aus Han Solo und dem von Daniel Craig verkörperten James Bond.
Ronald Tekener war in gewisser Weise „dreckig“, aber ehrlich und authentisch. Wahrscheinlich mochte ich ihn so sehr, weil mir Ehrlichkeit auch im echten Leben am wichtigsten ist.

Kommen wir zum Kern dessen, worüber ich eigentlich mit Dir reden wollte. Du hattest mir über deinen Vater geschrieben, der im März dieses Jahres leider verstorben ist. Über euer Verhältnis zueinander – und wie euch PERRY RHODAN immer noch miteinander verbindet. Ich möchte dich bitten, eure Geschichte mit deinen eigenen Worten zu erzählen.

20200526_134921Philipp: Wie ich schon geschrieben habe, bin ich einzig und allein über meinen Vater zu PERRY RHODAN gekommen. Ich bin zwar auch so Science Fiction-Fan, aber ich glaube nicht, dass ich ohne meinen Vater auf die Serie aufmerksam geworden wäre. Das Verhältnis zwischen meinem Vater und mir würde ich als ein Gutes beschreiben. Er war zwar eher ein stiller Geselle, wir hatten aber viele Interessen geteilt. Neben SF und allem, das sich um den Weltraum dreht, hat uns auch die Liebe zum Motorsport verbunden. Ende März diesen Jahres ist er dann im Alter von 62 Jahren plötzlich verstorben. Der angefangene PERRY-Roman lag da noch auf seinem Nachtschränkchen.
Das war der Roman Für Galaktiker verboten! (Anmerkung: Band 3058 von Wim Vandemaan.) Er ist genau bis zum Absatz: „Mir war, als sehe ich einen Totengeist tanzen“ gekommen. Ich bin zwar nicht abergläubisch, aber das fand ich schon ein wenig gruselig.
Nachdem der erste Schock überwunden war, dachte ich mir nur, wie ärgerlich das für ihn sein muss, da er ja den aktuellen Zyklus gar nicht mehr zu Ende lesen kann. Also habe ich mir vorgenommen, den Zyklus mit/bei ihm zu Ende zu lesen. Mein Vater liegt in einem Friedwald bestattet. Bei gutem Wetter fahre ich aktuell einmal die Woche dorthin, um an seinem Baum die Romane zu lesen.

Mein Vater ist vor einigen Jahren gestorben. Wir hatten zwar auch gemeinsame Interessen, aber nie so  ein verbindendes Element wie – in eurem Fall – PERRY RHODAN. Wie beurteilst du denn selbst, was du da tust? Ist es ein längeres Abschiednehmen? Oder eine Art Verpflichtung, deinem Vater diesen Zyklus fertig zu erzählen? Oder die Möglichkeit zum Zwiegespräch?

Philipp: Die Trauer über den Tod meines Vaters ist tatsächlich eine wellenartige Angelegenheit. Ich komme sehr gut damit klar, aber es kommen immer wieder mal aus dem Nichts Erinnerungen hoch. Schwierige Momente gibt es also noch. Die Idee, den Zyklus bei ihm am Baum zu lesen, war im ersten Moment eher als Scherz gemeint, aber je länger ich darüber nachdachte, desto logischer wurde sie.
Warum eigentlich nicht?, dachte ich mir. Zum einen habe ich so eine Motivation, regelmäßig meinen Vater zu besuchen. Im Stress mit Studium & Co hatte ich durchaus die Sorge, dass ich nicht häufig dorthin fahren würde. Zum anderen komme ich so regelmäßig zum Lesen der Romane. Wechselseitiger Pragmatismus quasi. Mit meinem Vater ist außerdem der einzige PERRY-Leser in meinem Bekanntenkreis verstorben, und man möchte sich ja schon ganz gerne über die Ereignisse in den Romanen austauschen. Gefühlt kann ich das jetzt noch machen, wenn ich bei meinem Vater am Baum bin.

Wir reden bei PERRY RHODAN immer wieder über die ÜBSEF-Konstante, also über eine höherdimensionale Energiekonstante, in der das Bewusstsein eines Wesens manifest ist. Man mag jetzt darüber streiten, ob die ÜBSEF-Konstante mit der Seele eines Wesens gleichzusetzen ist. Ich finde es hochinteressant, das ureigenste Ich in den Kanon einer SF-Serie einzubetten. Spiritualität hat ja bei PERRY RHODAN sonst einen eher geringen Stellenwert.
Welches Bild hast Du denn von der Seele? Bist du deinem Vater näher, wenn du ihm im Friedwald aus den Romanen vorliest?

Philipp: Da würde ich gerne sehr romantisch werden, aber auch hier bin ich eher pragmatisch. Das Körper-Geist-Problem ist auch ein Teil meines Studiums und noch gibt es keinen Menschen, der einer möglichen Antwort auch nur im Ansatz nahe gekommen ist. Aber wer weiß, was die Wissenschaft da noch herausfindet.
Vielleicht sind wir wirklich nur ein hochkomplexes Programm mitsamt Chemie-Cocktail ohne einen freien Willen – auch wenn diese Erkenntnis sehr enttäuschend wäre. Das Thema Tod ist halt so rätselhaft, weil niemand einen Erfahrungstest machen kann. Wenn ich sterbe und dann wirklich einfach Feierabend ist, dann muss ich mich darüber ja auch nicht mehr ärgern. Wenn doch noch was nach dem Tod kommt oder übrig bleibt, dann kann ich gespannt sein, was da so kommt. Und selbst wenn es dann eine Ewigkeit in der Hölle sein sollte: Erfahren werde ich es erst, wenn es so weit ist. Also habe ich jetzt auch keine Angst davor.
Aber egal, ob mein Vater von meinen Besuchen etwas mitbekommt oder nicht – für mich persönlich fühlt es sich einfach besser an, mich ihm gegenüber zu verhalten, wie ich es zu Lebzeiten getan habe. Ich finde die Idee schön, dass eine Person erst dann wirklich gestorben ist, wenn niemand mehr an sie denkt. Auch wenn das eine nicht-bewusste Form des Weiterlebens ist.
Zum Thema Spiritualität bei PERRY RHODAN: Warum hat das eigentlich einen geringen Stellenwert? Als typischer Philosophie-Student würde ich natürlich jetzt auf die Wichtigkeit von Definitionen eingehen und genau unterscheiden zwischen Spiritualität und Philosophie, aber das ginge hier zu weit. Ich fänd’s aber super, wenn philosophische Gedanken in der Serie in Zukunft mehr Platz bekämen (zum Beispiel: Was macht das eigentlich mit einem, wenn man wie Tifflor für mehrere Jahrmillionen durch einen Tunnel stapft? Verführt eine potenzielle Unsterblichkeit nicht zur Gleichgültigkeit, weil ich ja die PERRY RHODAN-Romane auch in 200 Jahren noch lesen kann?)

Ich muss gestehen, ich war noch nie in einem Bestattungswald. Ich mag die Stille auf Friedhöfen – und ich mag die Geschichten, die man anhand von Grabsteinen und Mausoleen zu erkennen glaubt. Warum habt ihr euch für eine Bestattung in einem Friedwald entschieden? Wie fühlst du dich selbst dort?

Philipp: Die Bestattung im Friedwald war der ausdrückliche Wunsch meines Vaters. Solche Wälder gibt es ja auch noch nicht so lange. Obwohl ich auch die Ruhe auf Friedhöfen genießen kann, möchte ich später auch selbst gern in einem Wald bestattet werden. Das Thema Tod drängt sich dort nicht so unbarmherzig auf, wie bei einer Reihe Grabsteine gefolgt von noch einer Reihe und so weiter.

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Im Friedwald kann man sich auf eine Bank und unter einen Baum setzen, man hört die Vögel. Man hört sogar kleine Insekten im Waldboden, ohne sie überhaupt zu sehen. Der Wald ist voller Leben. Man bekommt dort einfach das positive Gefühl, dass, egal was passiert, es doch immer weiter geht. Letztlich wächst ja auch der Baum immer weiter und wenn der dann den einen oder anderen Nährstoff aus der Asche eines Verstorbenen ziehen kann, dann hat diese Person auch noch am Leben von etwas Anderem Teil.

Kehren wir zum Schluss nochmals zu PERRY RHODAN zurück: Was erhoffst du dir von der Serie in den nächsten Jahren? Hast du irgendwelche Wünsche an die Autoren, Expokraten und Redakteure?

Philipp: Mehr philosophische Gedanken sind immer willkommen. Zum Beispiel: Wie gehen wir eigentlich mit Tomopaten um, die für ihre Art ja nichts können, aber dennoch ein Risiko für alle anderen Lebewesen darstellen. Darf man sie deshalb ausschließen, diskriminieren oder einschränken?
Ansonsten kann ich nur zur Lust an der Wagnis ermutigen. Die Geschichte darf ruhig auch mal komplex werden Wenn Superintelligenzen und Materiesenken so viel weiter sind, warum wirken sie dann immer noch fast menschlich, warum kann ich ihre Gedankengänge nachvollziehen? Was passiert, wenn der Translator mal nicht seinen Job erledigt? – Die Idee, dass es bei der Begegnung mit den Onryonen zu einem diplomatischen Verwerfnis kam, weil man ihnen ein gemeinsames Essen anbot, finde ich nach wie vor klasse. Vielleicht trifft man in der Serie häufiger auf Wesen, die nicht mal im Ansatz humanoid sind, die vielleicht gar nicht über Sprache kommunizieren?
In meinen Augen lebt die Serie nicht vom „… und im nächsten Zyklus kommt ein noch größerer Gegner und die fliegen noch weiter …“, sondern von den Überraschungen und immer wieder neuen Begegnungen.
Abschließend würde ich der Erde mal eine Ruhepause gönnen. Dieser arme Planet wurde nun schon so oft geklaut, belagert und getauscht, der hat sich Erholung mal redlich verdient. 🙂

Danke für das Interview, Philipp

PS: Solltest Du als PERRY-Leser mit Philipp Kontakt aufnehmen wollen, schick mir bitte ein Mail an folgende Adresse: scrapid@gmx.at. Ich leite es an Philipp weiter.

 

Die Bilder sind © Philipp M.

Ein Kommentar Gib deinen ab

  1. Volker Hoff sagt:

    Danke für die Veröffentlichung dieses interessanten Interviews! Das ging mir wirklich sehr nah!
    Wie immer: galaktische Grüße vom Brühlotarchen!

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