Sonny Barger

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Sonny Wer? – werden sich die meisten Leute nun fragen. Man muß schon ein bißl in der Motorradszene verankert sein, um den Namen zu kennen. Barger war jener Mann, der die Hell’s Angels zwar nicht gegründet, aber doch zu einem bekannten und berüchtigten Namen gemacht hat. Eigentlich: zu einer Marke. Die Angels hatten in den Jahrzehnten immer wieder Probleme mit dem Gesetz in so gut wie allen Ländern, in denen sie mit Chapters vertreten sind. Es geht um Mord, um Drogenhandel, um Prostitution und noch eine Menge anderer unerquickliche Dinge.

Sonny Barger ist vor einigen Wochen an Krebs gestorben – und ich möchte eine Erinnerung teilen, die mit ihm zu tun hatte und die ich auch heute, dreißig Jahre danach, noch nicht so recht einzuordnen weiß.

Im Herbst 1992 war ich mit meiner damaligen Frau in den USA unterwegs. Wir hatten ein kleines Auto gemietet und fuhren von der Ost- zur Westküste und wieder retour. Los Angeles war klarerweise ein Ziel. Wir übernachteten bei einer Bekannten, die ich einige Jahre zuvor in London kennengelernt hatte und die als Motorrad-Journalistin/Lobbyistin arbeitete. Pepper, so ihr Name, schlug uns vor, zu einem größeren Motorradtreffen zu fahren, meine Frau und ich waren gern mit dabei. Es ging in hügeliges Bergland, das bereits damals von großen Windparks dominiert war. In einer Senke entdeckten wir ein Campgelände, auf dem unzählige Harleys parkten. Pepper entdeckte augenblicklich unzählige Bekannte und Freunde und ließ meine Frau und mich alleine, wir würden uns schon zurechtfinden.

Die Stimmung schien gelöst, aber es gab unterschwellige Spannungen. Viele Hell’s Angels waren anwesend, aber auch Mitglieder anderer Clubs, die Patches (Aufnäher mit dem Logo des Clubs) trugen. Aus Wortfetzen, die wir irgendwie mitbekamen, war eine deutliche Nervosität herauszuhören. Vor allem, als einige dunkelhäutige Biker eines Clubs von der Ostküste auftauchten – und das bei einer durch und durch „weißen“ Veranstaltung.
Nun, der Frieden blieb gewahrt – und ich erfuhr endlich, worum es bei diesem eigentlich friedvollen Treffen eigentlich ging.

Sonny Barger hatte eine mehrjährige Haftstrafe verbüßt, bei dieser Veranstaltung wurde seine Rückkehr gefeiert. Und tatsächlich: Irgendwann einmal tauchte eine elendslange schwarze Limousine auf, sie zog auf den Schotterstraßen eine lange Staubfahne hinter sich her. Unzählige Biker versammelten sich, als die Stretch-Limousine anhielt. Zwei oder drei fesche, vollbusige Frauen sprangen aus dem Fonds des Wagens, tänzelten umher und applaudierten, als Sonny Barger zu lauter Musik ausstieg und den Willkommensapplaus genoß. Er hatte damals bereits eine Kehlkopfoperation hinter sich und sprach durch die Luftröhre und mit Hilfe eines Geräts, eines Elektrolarynx. Ich verstand kein Wort, dazu war mein Englisch einfach nicht gut genug, zumal rings um mich kreuz und quer durcheinander geredet wurde.

Zu spüren war so etwas wie Respekt dem Anführer der Hell’s Angels gegenüber. Aber es war, wie gesagt, auch alles sehr angespannt. Die Mitglieder der einzelnen Clubs waren nicht unbedingt große Freunde. Man hatte sich versammelt, um Sonny Barger zu würdigen. Nicht mehr, nicht weniger.

Photos durften dazumals nicht gemacht werden, das stellten die Securitys unmißverständlich fest. Einzelne Biker wurden auch abgetastet, so weit ich mich erinnere. Ich war recht nervös, und die Aufregung legte sich im Laufe des Nachmittags nicht unbedingt. Meine Frau war schwanger, und in eine Auseinandersetzung wollten wir nun wirklich nicht hineingeraten. Nun, schließlich ging alles gut, und nach einigen Stunden machten wir uns wieder zurück auf den Weg Richtung Los Angeles.

Halt! Einen sehr sonderbaren, vielleicht auch kritischen Moment hatten wir noch zu überstehen.
Outlaw-Biker verstehen sich als One-Percenter. Dementsprechend tragen sie einen solchen Patch auf der Brust ihrer Jacke. (Ohne die dahinterstehende Geschichte strapazieren zu wollen: One-Percenter sind Motorradfahrer, die sich außerhalb der Normen sehen.)
Überall waren also diese Patches zu sehen. Es gab aber auch noch Biker, die zusätzlich Aufnäher mit dem Schriftzug Filthy Few trugen. Meine Frau ging auf einen dieser Männer zu und fragte naiv, was der Patch zu bedeuten hatte. Der Biker, gefühlt 30 Zentimeter größer und um einen Meter breiter als ich, blieb überraschend ruhig. Er verabschiedete sich und ließ uns stehen.
Hätte ich ihn gefragt, hätte ich ziemlich sicher ein Problem gehabt, denn über diese Dinge wird sehr, sehr ungern geredet. Aber meine schwangere Frau ließ er in Ruhe.
Was dieser Schriftzug bedeutet? – Die Filthy Few, so sagt man, sind jene Biker, die für ihren Club bereits mal gekämpft haben. Bei diesem Treffen habe ich aber auch erzählt bekommen, daß sich nur derjenige ein Filthy Few-Patch aufnäht, der schon mal für seine Farben getötet hat …

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