Maddrax in Wien

Vorab zur Erklärung: MADDRAX ist eine Heftserie, die zweiwöchentlich beim Bastei-Verlag erscheint und es mittlerweile auf mehr als 330 Romane gebracht hat. Ich habe mittlerweile etwa 15 Romane zur Serie geschrieben, und über einen davon möcht ich heute ein bißl was erzählen. Zum Inhalt: Matthew Drax, ein US-Pilot, gelangt durch mysteriöse Umstände auf eine Erde des 26. Jahrhunderts, nachdem ein Komet namens Christopher-Floyd die Menschen in eine primitive Lebensart zurückgebombt hat. Sein Name wird verbalhornt, er heißt von nun an Maddrax.

„Wiener Blut“ war mein dritter Beitrag zur Horrorfantasyvampirsciencefictionabenteuerserie MADDRAX. Mit der Nummer 91 hatte ich 2003 meinen Einstand gegeben; danach mußte sich Mad Mike Schönenbröcher, Redakteur der Serie, offenbar mal ein Jahr lang von mir erholen, bevor ich die nächste Gelegenheit erhielt, meine Spuren im MADDRAX-Universum zu hinterlassen. Auf die Nummer 112, die in Norditalien spielte, sollte ich kurze Zeit später eins draufsetzen und den Protagonisten der Serie in Band 115 durch das postapokalyptische Wien wandern lassen.

Ich hatte dazumals noch eine sehr ungewisse Zeit vor mir und wußte nicht, ob ich mich als hauptberuflicher Autor etablieren würde können. Insofern war ich sehr dankbar, mit „Wiener Blut“ ein Manuskript abliefern zu dürfen, bei dem ich sozusagen Heimvorteil genoß. Über Wien weiß ich einigermaßen Bescheid, und ich tat mein Bestes, um möglichst viel Lokalkolorit einfließen zu lassen.

Aus heutiger Sicht und beim nochmaligen Durchblättern hab ich’s damit ein bißl übertrieben. Viele Anspielungen blieben für die Mehrheit der Leser unverständlich, manche Dialektpassagen waren unnötig und auch das Glossar, das auf der Leser-Kontakt-Seite veröffentlicht wurde, erfaßte nur einen Bruchteil dessen, was ich alles in den Roman gepackt hatte.

Einen der Bösewichter nannte ich Kahagee; er war im Text ein sogenannter Heshaa, auf gut Deutsch: ein Häscher, und damit zuständig, bei der ärmlichen Bevölkerung Wiens im Jahr 2516 den Zehent einzutreiben. Nicht zufällig hieß der damalige österreichische Finanzminister Karl-Heinz Grasser; derzeit beschäftigt er die österreichischen Gerichte, und volksnah wird er „Herr Unschuldsvermutung“ genannt. Kahagee besaß in meinem Text eine Art Kutsche, die von zwei Haflaas vulgo Haflinger gezogen wurde. Die Namen der Tiere lauteten „Petr“ und „Hojc“, auch dies Anspielungen auf einen freiheitlichen Politiker, der einstmals Peter Hojac hieß und seinen Namen später auf Peter Westenthaler umoperieren ließ.

Die Stadt Wien wurde in meinem Roman von vier Gruppierungen beherrscht, wie sie in der Nachkriegszeit ja auch von Angehörigen vierer Staaten besetzt gewesen war. Da waren mal die „Guten“. Die Skraps, die den Westen der Stadt beherrschten. Für den Insider ist unschwer zu erkennen, daß ich damit dem SKRapid, meinem Lieblings-Fußballverein, ein kleines Denkmal setzte. Einer der Skraps hieß Aschyl. Aschyl war der einstige Spitzname des Weltklasse-Fußballers Ernst Happel, der später als Trainer u.a. Feyernoord Rotterdam und dem HSV zu Europacup-Titeln verhalf. In den Vierzigern und Fünfzigern des letzten Jahrhunderts spielte er mit dem ebenfalls bekannten Max Merkel bei Rapid, als Verteidigerpaar, das seinesgleichen suchte.

Weiters gab es in Weean die Fjacks, stets in Schwarz bekleidet, nördlich der Donau beheimatet. Meiner Erinnerung nach hab ich damit ein klein wenig den FAK verbalhornt, den Stadtrivalen „meiner“ Rapid. Die roten Emmaas sind für den gelernten Wiener ebenso leicht als die Angestellten der „MA“s, der Magistratsabteilungen, erkennbar, wie die blauen Fineberer. So nennt man hierzulande seit Napoleons Zeiten die Leichenbestatter . „Pompes funèbres“ – Pompfineberer – ein klein wenig Dialekt, und schon hört sich alles viel freundlicher an, nicht wahr?

Alle vier Gruppierungen bilden im Roman übrigens die „Große Koalition“, wenn sie sich mal über ein Thema einigen müssen.

Ein kleiner Sprach-Exkurs: In Österreich heißen die sonst überall „Wiener Würstchen“ genannten Würste „Frankfurter“. Der Erfinder, Georg Lahner, stammte aus der Fränkischen Schweiz, hatte sein Handwerk in Frankfurt erlernt und war um 1800 nach Wien gezogen, um unweit meiner Wohnung seine Fleischerei und Selcherei zu eröffnen.

Und noch ein kleines Detail zu Wiener Sprachadoptionen, speziell an Kölner Freunde gerichtet: In Wien hört man alte Säcke wie mich ab und an noch von „Coloniakübeln“ reden, und man meint damit öffentliche Abfalleimer. Die Stadtreinigung übernahm, so sagt man, die in Köln anfangs des 20. Jahrhunderts üblichen Abfalleimer mit Deckel, aus dem Eimer wurde der wienerische Kübel, und als Dank an die Kölner hat man deren Namen auch gleich mit in die Bezeichnung reingezogen.

Genug gelabert, zurück zu Maddrax, der schon ziemlich ungeduldig drauf wartet, daß ich seine Wiener Geschichte weiter erzähle.

Ich gab meinem Helden Maddrax auf seinem Stadtrundgang einen Lokalmatador mit und nannte ihn „Augustin“. In Wien existiert die Sage vom „Lieben Augustin“, der während einer Pestepidemie Ende des 17. Jahrhunderts eine Nacht in einer Pestgrube überlebte, dank übermäßig genossenen Alkohols, der ihn wohl von innen her gegen alle Unbilden schützte. Augustin wurde zum Synonym für den Überlebenswillen der Städter – und wohl auch für den Nutzen der Trunkenheit, denn angeblich hat sich der Liebe Augustin nur wenige Jahre nach seiner heroischen Tat zu Tode gesoffen.

Augustin wiederum beschrieb ich andeutungsweise wie Wolfgang Ambros, über den ich hoffentlich nix erzählen muß. Ich hatte, als ich den Text schrieb, auch vor, einige seiner Texte mitzuverwenden und setzte mich deshalb mit Ambros‘ Management in Verbindung. Leider verweigerte man mir die Zustimmung. Deshalb sind auch nur zwei, drei Zeilen aus seinem Lied „Es lebe der Zentralfriedhof“ im Roman zu lesen. Er zitierte stattdessen einen Text von Johann Nestroy, einem Wiener Dramatiker und Schauspieler, der ca. um 1840 das Stück „Der böse Geist Lumpazivagabundus“ geschrieben hatte. In dem kam das sogenannte „Kometenlied“ vor, das mir passend erschien, um auf den Hintergrund der MADDRAX-Serie mit dem Kometenabsturz anzuspielen und Augustin singen zu lassen:

„Es is kein Ordnung mehr in die Stern. D’Kometen müßten sonst verboten wern. Ein Komet reist ohne Unterlaß um am Firmament und hat kein‘ Paß … Die Welt steht auf kein‘ Fall mehr lang, die Welt steht auf kein‘ Fall mehr lang.“

Maddrax traf auf die „Obmänner“ der vier herrschenden Koalitionsparteien. Deren Anführer hießen Belloo, Cüsl, Gusey und Heddr. Mit ein wenig Phantasie konnte man an diesen Namen jene der damaligen österreichischen Parteiobmänner (Alexander van der Bellen – Die Grünen, Wolfgang Schüssel – ÖVP, Alfred Gusenbauer – SPÖ sowie Jörg Haider – FPÖ) wiedererkennen. Allesamt benahmen sie sich ziemlich doof – und bildeten, als es Probleme gab, sofort Unterausschüsse. Seufz. Es hat sich seitdem politisch nix geändert.

Ich ließ Maddrax durch die Stadt wandern und einige Sehenswürdigkeiten besichtigen. Schönbrunn, den Dom zu St. Stephan, den Graben (eine bekannte Pracht- und Einkaufsstraße), die Donauinsel und den Wiener Prater, wie ein guter Fremdenführer es nun mal tun sollte. Den Höhepunkt, den Kampf gegen zombieartige Wiener, die von unheimlichen Lebewesen beeinflußt werden, ließ ich nahe des Wiener Riesenrads geschehen. Und zwar deshalb, weil das Riesenrad auf dem vorab erstellten Titelbild abgebildet worden war. Ich mußte mich mehr oder weniger an diese Vorgabe anpassen. Das Bild war nicht ganz mein Geschmack und ich kann mich an einige kleinere Diskussionen darüber erinnern. Aber he!, es gibt schlimmere Dinge.

Die Geschichte ging einigermaßen gut aus. Maddrax überlebte, Kahagee wurde dem Henker überantwortet, die vier Obmänner wurschtelten weiter wie gehabt (nonaned), Augustin wurde zum Volkshelden, und so endete das 115. Abenteuer unseres Helden. Ich hatte damals das Gefühl, recht ordentliche Arbeit abgeliefert zu haben, und ich glaube, auch Mike Schönenbröcher, Redakteur der Serie, war mit mir zufrieden. Ich hatte mir durch die zwei rasch hintereinander folgenden Manuskripte einen Platz im Autorenteam erarbeitet und schrieb von nun an regelmäßig mit.

Ach ja: Ich hatte für den Roman „Wiener Blut“ zwei Fans der Serie versprochen, sie als Nebenfiguren in den Roman einzubauen. An das Wie und Warum kann ich mich nicht mehr erinnern; ich hatte wohl im damaligen MADDRAX-Forum einen Preis ausgelobt. Einer der beiden Gewinner hieß Kai (im Roman Caai genannt), ein junger Bursche, den ich mal in Frankfurt kennenlernte. Der andere war ein pfiffiger, etwas schmächtiger Kerl mit Schirmkappe, dessen Bekanntschaft ich etwa im Herbst 2004 machte. Im Roman nannte ich ihn Kridi.

Heute ist Kridi bei PERRY RHODAN mein Exposé-Chef. Er heißt Christoph Dittert/Christian Montillon …

Das Titelbild ist Copyright Verlagsgruppe Bastei-Lübbe.

Ein Kommentar Gib deinen ab

  1. MadMike sagt:

    Sehr nett geschrieben, unterhaltend und erhellend! Und – seufz – Erinnerung an die Zeiten, als du wenigstens noch ein, zwei MX im Jahr geschrieben hast. Hoffentlich ist es 2013 mal wieder so weit…
    Michael „Mad Mike“ Schönenbröcher

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