Ich bereite mich nebstbei aufs Schreibcamp vor, das ich Mitte Oktober in der Nähe Wiens abhalten möchte. Ich denke über Inhalte nach. Darüber, was ich erfahrenen und angehenden Autoren mitgeben könnte. Natürlich soll in erster Linie an den eigenen Texten gearbeitet werden. Doch es schadet nichts, den Teilnehmern auch einige theoretische Fixpunkte der Schreibarbeit bewußt zu machen.
Von diesen Überlegungen ausgehend, ist es nicht weit bis zu jener Frage, die mir vermutlich am öftesten gestellt wird, sobald ich erzähle, womit ich denn meine Brötchen verdiene. Sie lautet: „Und wie machst Du das? Woher bekommst Du Deine Ideen?“
Meine Standard-Antwort ist, daß ich gar nicht lange nachdenken muß. Es ist der Irrsinn, der in mir schlummert, jawoll! Bei Bedarf ziehe ein kleines Stückchen von ihm aus den Untiefen meines Geistes, um ihn paßgerecht in einen Text einzufügen. Oh ja, das hört sich gut an, nicht wahr?
Aber es entspricht nicht ganz der Wahrheit, und die Teilnehmer am Schreibcamp sollen natürlich wissen, was hinter „Ideenreichtum“ steckt – und wie man es bewußt und zielgerichtet einsetzt. Was also schlummert da wirklich tief drin in mir? Warum habe ich diese oder jene Idee abrufbereit, was lagert da, woher stammt es? Hm.
Lassen wir die emotionalen Bilder beiseite, die ein Autor beschreiben können muß. Schmerz, Trauer, Freude, Lust, Verrücktheit – da kann man sich sehr gut aus dem eigenen Erfahrungsschatz bedienen und Erlebnisse gegebenenfalls so sehr überzeichnen, daß man in der Lage ist, auch den grausamsten Mord in schmerzhafter Intensität zu schildern. Das ist ein ganz anderes Thema, vielleicht mal einen eigenen Blog-Eintrag wert. Mir geht es diesmal um den „Dreh“. Darum, ungewöhnlich, schief, schräg, irritierend zu sein.
Ich bin ein notorischer Sammler, auch und vor allem bei dem, was ich sehe und mir merke. Ich hole mir Eindrücke aus allen möglichen Bereichen. Ich lese quer durchs Gemüsebeet, schau mir Bildbände an, die verrücktesten Filme, Ausstellungen barocker, surrealistischer und supernaturalistischer Malerei, die seltsamsten Shows, höre Musik aller möglichen Richtungen (nur bei Operetten und Schlagern bin ich überfordert, sorry). Wichtig ist die Vielfalt der Sinneserlebnisse – und daß ich mir selbst keine Tabus auferlege. Ich möchte aus einem möglichst bunten Potpourri abgespeicherter Eindrücke auswählen können.
Besonders ergiebig sind für mich Zeitschriften wie das „National Geographic“ oder „Geo“. Die Qualität und Tiefe der Beiträge sind dort ausgezeichnet, ohne daß man elitäre Ansprüche an den Leser stellt. Da geht’s meinethalben um die Geschichte der Geburtenkontrolle oder ums Liebesleben der Regenwürmer – ich blättere solche Artikel durch, bestaune Bilder und unsere Welt, die weitaus fremder ist, als man es glauben möchte.
Ungemein interessant und immer wieder ergiebig sind für mich die Themen Architektur und Design. Ob nun in kulturgeschichtlicher Hinsicht oder in punkto Städteplanung, ob es um Möbeldesign, die Funktionalität von Gebrauchsgegenständen oder um die Geschichte der Gartenarchitektur geht – da versinke ich in Bildern und mache sie mir zu eigen. Vor allem für den Bereich Science Fiction ist Design ein großes, großartiges Thema. Ob es nun ungewöhnlich, gewagt, antiquiert oder einfach nur zeitgemäß ist – es erzeugt Stimmung.
Objekte, mit denen wir uns umgeben, um Lebensqualität zu schaffen, lassen sich relativ leicht adaptieren bzw. abändern, um im Leser das Gefühl des Ungewöhnlichen und des Fremden zu erzeugen. Man beraubt ihn seiner gewohnten Umgebung, indem man zum Beispiel den Grundriß eines Hauses in Form eines gleichschenkeligen Dreiecks zeichnet und sagt: „Sieh her, so wird Dein Leben in der Zukunft aussehen. Es wird zwischen ungewöhnlichen Winkeln stattfinden, in einer Welt, die im Vergleich zur heutigen völlig verschoben wirkt.“ Oh ja, es gibt kaum etwas Irritierenderes, als jemandem die gewohnten vier Wände zu nehmen und nur drei draus zu machen …
Das ist ja eigentlich nix Neues, aber es ist wichtig, sich diese Dinge mal bewußt zu machen und drüber nachzudenken. Warum stechen im SF-Bereich Filme wie „Blade Runner“, „Alien“ oder „Das fünfte Element“ so deutlich hervor? Hm? Natürlich geht es um Plots, um Inhalte, die möglichst gut vermittelt werden müssen. Aber zuallererst verliert man sich nun mal in den Bildern. Es werden Ungewöhnlichkeiten erzeugt, der Zuseher muß sich erst einmal zurechtfinden.
Und das werde ich beim Schreibcamp zu vermitteln versuchen: Es ist Pflicht und Aufgabe des Autors, möglichst prägnante Bilder im Kopf des Lesers entstehen zu lassen. Nur so kann man ihn vom eigenen Werk überzeugen.
(Fortsetzung folgt.)
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