… so lautet der Titel einer Kurzgeschichte, die Gerhard Huber geschrieben hat. Es handelt sich dabei um eine Fan-Fiction-Story, die im Universum meines Buchs „Der Gottbettler“ spielt. Aber Achtung: Die Geschichte ist keinesfalls weihnachtlich-besinnlich, sie ist ganz im Geiste meines eigenen Werks verfaßt.
Wer ein bißl mehr über den Autor erfahren möchte, wird hier fündig: http://www.perrypedia.proc.org/wiki/Gerhard_Huber. Und nun: Viel Spaß beim Lesen!
Gerhard Huber: Der Weg des Schwertes
Das Gemetzel hat nicht lange angedauert.
Unweit der Küste der Cabrischen See traf der Heerwurm des Gottbettlers auf die erbärmliche Hauptlinie des Feindes. Der Gegner unterlag wie erwartet unserer Übermacht, schon nach wenigen Stunden war alles vorbei. Die verbliebenen Haufen des gegnerischen Heeres suchen nun ihr Heil in der Flucht, verfolgt von unserer grausam übermächtigen Reiterei.
Der Großteil des Heeres unter Metcairn Nifes Führung ist längst weitergezogen, und damit auch die Sibyllen und Magicae. Nur die Männer der Nachhut, so wie ich, verbleiben noch an diesem Ort.
Nach all dem Töten und dem Kämpfen fühle ich mich beinahe froh und leicht. Möglicherweise liegt das an der frischen Meeresbrise, die allerdings nur ahnungsvoll meiner Nase schmeichelt bei all dem grausigen Gestank nach Schweiß, Blut und Tod. Oder fühle ich mich erleichtert, weil die Magicae und diese grässlichen Sybillen weitergezogen sind?
Bilder an mein früheres Leben blitzen auf in meinem Geist, ausgelöst durch den schwachen Geruch nach der salzigen See.
Ich schüttle den Kopf, versuche mich wieder zu konzentrieren und blicke mich weiter um. Aus dem Schlachtfeld ist endgültig das geworden, was es stets wird: ein Leichenfeld. Die ersten Aasfresser und Leichenfledderer gehen ihrem Handwerk nach. Ebenso wie die Feldscher, die jedoch wenig ausrichten können.
Ich tue das, was ich während der letzten Stunden getan habe, nur mit dem Unterschied, dass ich dabei nicht mehr kämpfe.
Ich schlachte.
Ein Schwerthieb zur Rechten und ich erlöse einen Freund von seinen irdischen Qualen. Ein Wundarzt kann bei ihm nichts mehr bewirken, ein Priester noch weniger; abgesehen davon führt unser Heer keine mit sich.
Ein Schwerthieb zur Linken und ich gewähre einem Feind dieselbe Gnade. Die ehrenvolle Schwertarbeit für den Gottbettler ist geleistet, nun folgt die niedere Pflicht, die ich ebenso treu erfülle wie den vorhergehenden Kampf.
Ein feindlicher Fußsoldat humpelt mir entgegen. Er trägt keine Waffe mehr, auch keinen Schild. Seine primitive Lederrüstung ist an einigen Stellen zerrissen und durchschnitten. Ebenso sein Fleisch.
Soll ich ihn verschonen? Er brüllt mir eine Verwünschung entgegen und ergreift eine Streitaxt mit geborstenem Blatt, die ein Toter des Schlachtfeldes ihm scheinbar entgegenreckt. Der Mann ignoriert seine Beinverwundung so gut es geht und stürmt wie ein wütender Kalek auf mich zu. Er muss wissen, dass er gegen mich nichts ausrichten kann; bewaffnet mit nicht mehr als einem Stock im Grunde ist es Selbstmord. Der Mann gerät ins Straucheln, als sich ein Fuß in den heraushängenden Eingeweideschlingen eines Toten verfängt. Doch er reißt sich los und stürmt unbeirrt weiter auf mich zu.
»Bringen wir es zu Ende, Söldner!«, sind die letzten Worte, die der Mann mir entgegenschleudert.
Ich erwarte ihn, mache einen Schritt zur Seite, als er heran ist, und führe das Schwert so, dass ich ihm mit der Breitseite meiner Klinge die Axt aus der Hand prelle. Der Entwaffnete taumelt ein paar Schritte zurück, bevor er erneut Anlauf nimmt und mich anspringt. Er ist schwach, er kann sich kaum noch auf den Beinen halten. Er stolpert mir entgegen, als wollte er mich wie ein Liebhaber umarmen.
Ich habe schon zu viele Kämpfende und Sterbende erlebt, um wirklich überrascht zu sein, doch der Mut der Verzweiflung dieses Mannes ringt mir Respekt ab. Ich werde ihm einen raschen Tod bescheren. Ich ramme ihm mein Schwert in einer fließenden Bewegung in den Unterleib. Dabei umschlinge ich ihn mit meinem freien Arm, sodass er an mich geklammert ist wie ein Ertrinkender an ein Stück Treibholz.
Ich blicke dem Feind in seine vor Schmerz weit aufgerissenen Augen. Wintergrüne Iris und mondweiße Augäpfel. So grün und weiß wie das Meer und die Gischt der Cabrischen See.
In meiner todbringenden Umarmung halte ich vielleicht einen der Fischer, die heute wie so viele andere einfache Leute im feindlichen Heer gekommen sind, um ihr Hab und Gut, ihre Familien und ihr Leben so sinnlos zu verteidigen.
Das schwindende Leben und seine Seele erkenne ich in diesem hellen Grün seiner Augen. Ich meine, die karge, mühevolle und dennoch erfüllte Existenz eines einfachen Fischers zu sehen. Eines Fischers, wie mein Vater einer war. Nur zu gut kenne ich solch ein Dasein.
Ich treibe mein Schwert mit einem kräftigen Ruck weiter in die Eingeweide des Mannes. Aufwärts, in Richtung seines Herzens. Und ein weiterer Teil der Lebenserinnerung offenbart sich mir in seinen Augen. Die Erinnerung an eine kurze Kindheit zwischen kaltem Meer und milder Kate.
Der Mann in meinen Armen schreit nicht, wehrt sich nicht, starrt nur zurück in meine Augen, bis das Leben in seinen Blicken erlischt. Seele und Leben verlassen den erschlaffenden Körper, als mein Schwert endlich sein Herz erreicht.
Ich ziehe meine Waffe aus dem Toten und lasse den Körper langsam zu Boden gleiten. Er rutscht an mir hinab …
… da spüre ich ihn, den Schmerz. Ich weiß nicht, warum ich ihn nicht sofort gefühlt habe. Vielleicht, weil ich so in mein Handwerk und die Augen des Feindes versunken war. Doch nun muss ich mein Schwert loslassen. Ich greife an eine der wenigen verwundbaren Stellen meines Körpers, zwischen der Schulter- und Brustpanzerung, wo ein Dolch unterhalb meiner Achsel eingedrungen ist. Ein Dolch, geschickt versteckt und unbemerkt gezogen. Sanft und unmerklich getrieben in mein eigenes Herz.
Während die Leiche des Feindes auf dem Schlachtfeld ausblutet, spüre ich meine Seele und meinen letzten Atem fliehen. Und ich begreife, dass ich nicht das Leben des Feindes, sondern mein eigenes erblickt habe, gespiegelt in seinem Augenwintergrün.