Massenhaft Recherche

Recherche ist bei einer Serie wie PERRY RHODAN das Um und Auf. Du bekommst von der Redaktion ein Exposé vorgelegt und möglicherweise das eine oder andere Datenblatt, um die Geschichte Deines Romans stringent erzählen zu können. Du liest und arbeitest die guten Dinger durch, machst Dir Anmerkungen und überlegst Dir, wo Du Deine Schwerpunkte setzt, was Dir wichtig erscheint. Und irgendwann hast Du einen Plan, wie Du die Vorgaben der Expokraten umsetzen möchtest. Und eigentlich könntest Du dann mit der Schreibarbeit loslegen, oder?

Oder.

Bei dem PERRY RHODAN-Doppelband, den ich eben in Arbeit habe, muß ich mich über Dinge informieren, die weit über die Expo-Inhalte hinausgehen. In meinem Fall bedeutet das, daß ich mich mit einen Stern beschäftige, der in der Realwelt durchaus bekannt und am Firmament der Erde sichtbar ist. Ich muß so viel wie möglich über ihn in Erfahrung bringen, mir den derzeitigen astronomischen Wissensstand aneignen – und dann entscheiden, wie weit ich Fiktion mit Realität verschmelzen lasse. In diesem Fall kommt übrigens auch Rainer Castor ins Spiel, dessen Unterstützung bei der Hintergrundarbeit gar nicht genug gelobt werden kann.

Nun, diese Hürde ist bald geschafft. Aber um das mal deutlich zu machen: Die Recherchearbeit kostet etwa zwei Stunden Zeit, und das für vier bis fünf Sätze Text, die ich in fünf Minuten formuliere.

Dann geht’s weiter zu den Hauptpersonen, die ich im ersten Teil meines Doppelbandes in den Einsatz schicke. Sie sind bereits aus früheren PERRY-Romanen bekannt, waren recht häufig im „Gebrauch“. Viele Infos über sie muß ich mir in den betreffenden Expos, aber auch in den jeweiligen Romanen selbst holen, die mir als Dateien vorliegen. Ich schätze, daß ich für dieses eine Manuskript fünfzehn Expos und Romane durchlese/durchblättere.
Was die Arbeit erschwert, ist, daß die Texte meiner Kollegen, auf die ich unmittelbar „draufsetze“, noch gar nicht fertig geschrieben sind, eben erst im Werden sind. Auch da gilt es, Rücksprache zu halten. Wie verhält sich diese oder jene Person? Haben die beiden schon über das Thema xxx gesprochen? Kannst Du bitte für eine geringe Verletzung bei yyy sorgen, sonst klappt die Szene zzz nicht?
Und ja – über diese eine Welt, auf der ich meine Heldengruppe nun bald landen lasse, wurde bereits im PERRY-Roman 673 (diese Nummer ist bloß ein Platzhalter, ich werd doch nicht die Wahrheit verraten!) erwähnt und beschrieben. Also bemühe ich die Perrypedia oder blättere im betreffenden Heft nach, eine digitalisierte Version dieses Manuskripts habe ich nicht.

Das ist Routine, das ist Teil meiner Arbeit als PERRY-Autor. Aber auch hier gilt: viel Aufwand für nur wenige Zeilen Text.

Aber dann …

Dann kommt der große Brocken. Da geht es um tapirähnliche Wesen, denen meine Protagonisten auf einer besonderen Welt und unter besonderen Bedingungen begegnen. Da muß ich schmökern im www, denn jetzt geht es um Glaubwürdigkeit. Ich muß Informationsquellen bemühen, die weit mehr können als die Wikipedia. Du muß ich wirklich suchen und forschen und in wissenschaftliche Abhandlungen eintauchen, in Fachforen nachstöbern, mir Bildmaterial besorgen, auf die eigentlich schon aus der Mode gekommenen Analogmedien wie Bücher zurückgreifen, alle Register ziehen.
Ich überlege, einen bestimmten Geologen hinzuzuziehen, lasse es aber bleiben. Mein Mann ist PERRY-Fan und ich möchte über den Inhalt des Manuskripts so wenig wie möglich weitergeben. Also tauche ich selbst tiefer und tiefer ein in Recherchearbeit ein, auch, weil mich das Thema interessiert und ich gerne so viel wie möglich darüber erfahren möchte.
Ich schreibe nicht alles auf, was ich lerne. Ich behalte es im Hinterkopf und setze die Informationen Stück für Stück zusammen, um allmählich ein Gefühl für „meine“ Welt zu bekommen, wie sie sein könnte. Und irgendwann kann ich dann richtig loslegen, oder?

Nein. Denn ich merke, daß ich immer noch zu wenig weiß und diesen einen Text eines Zoologen, der mir zu umfangreich erschien, auch noch durcharbeiten sollte. Bloß, um dann zugeben zu müssen, daß ich die ganzen Fachtermini eh nicht verstanden habe und bestenfalls drei, vier Begriffe daraus verwenden kann.

So geht das weiter, begleitend zur eigentlich Schreibarbeit. Zugegebenermaßen schweife ich bei der Recherche gern vom Hundertsten ins Tausendste ab, weil es mir auch Spaß macht – aber ich schätze, daß ich bei diesem Manuskript weit mehr Zeit für die Informationssuche aufwende als fürs eigentliche Schreiben.

Zurück bleibt übrigens das Gefühl, daß ich ja doch nicht alles so perfekt vermitteln kann, wie ich es möchte. Irgendwo im großen Kreis der PERRY-Leserschaft wird sich jemand finden, der Fehler in meinen Beschreibungen entdecken wird. Ganz klar: Unsere Leser sind in der Masse eine Art Schwarmintelligenz mit unterschiedlichsten Berufen und einer Vielzahl an Hobbys Leidenschaften.
Ich müßte ein Genie sein, um alle naturwissenschaftlichen Bereiche abdecken zu können, die ich in diesem Manuskript thematisiere. Ich müßte Statik studiert haben, besonders waffenkundig sein, im Nebenfach Zoologie belegt haben, Latein besser können als ich es halt kann, wissen, wie es einer Echse ergeht, die in den Weltraum hinaustreibt – weiß das denn jemand wirklich? -, die Konsequenzen von Schußwechseln mit Strahlwaffen in einem Raumschiff bedenken – kennt die jemand denn jemand wirklich? -, und einen bestimmten Abschnitt der Menschheitsgeschichte besonders gut kennen.

Tscha. Ich denke, alles werd ich in diesem Leben nicht mehr schaffen. Aber dank PERRY RHODAN bin ich gezwungen, mich oberflächlich mit dem allem auseinanderzusetzen. Und was gibt es Schöneres, als zu lernen, lernen, lernen?

 

2 Kommentare Gib deinen ab

  1. Lesen, lesen, lesen. Um deine letzte Frage zu beantworten. 😉
    Und ich werde nachher mal Band 673 raus suchen … auf den Doppelbluff fall ich nicht rein! 😉

  2. JoelH sagt:

    Lieber MMT, seh doch einfach alles ein wenig unverkrampfter.

    Glaubst du HGE und Konsorten (außer KHS und Kurt Mahr) haben sich über solche Details den Kopf zerbrochen? Ich glaub das nämlich nicht. Dennoch waren ihre Romane herrlich utopisch. Da zählt auch oft einfach der Effekt. Glaubst du die Szene, wenn das Ultraschlachtschiff, nach einer Transformbombenbreitseite, nach Feuerlee driftet, einem glockengleichen Donnerhall dröhnend, ist so unglaublich fesselnd weil sie so realistisch rüberkommt? Nee, sicher nicht. Dennoch bekomm ich da Gängsehaut, weil meine Fantasie etwas mit der Beschreibung anfangen kann. Weil da eine unwillkürliche Körperreaktion ausgelöst wird.

    Und ich denke das ist auch der Punkt, je mehr nachprüfbaren Realismus du einbaust, desto heftiger wird er dir um die Ohren gehauen, von den Spezialisten. Deshalb würde ich es erst gar nicht versuchen, Rhodan ist so groß geworden wegen seines positiv utopischen Grundgedankens und nicht wegen seiner Realitätstreue.

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