Es war im April 1980. Ich stolperte in den Wiener Westbahnhof, angepackt mit Ski, Skistiefel, warmer Unterwäsche, mehreren großen Milka-Schokoladen, sonstiger Ausrüstung für eine Woche Winterspaß. Ein Zug würde meine Klassenkameraden und mich nach Sankt Anton am Arlberg bringen.
Ich lief reichlich unrund – und das hatte nicht ausschließlich mit dem Skikurs zu tun, sondern auch damit, daß ich am Tag zuvor dieses neue Heft mit dem grellbunten Titelbild in meiner Stamm-Trafik nicht bekommen hatte. Ein Heft mit der strahlenden Nummer 1. Die erste Heftroman-Serie, die ich von Beginn an lesen wollte und auf die ich durch Werbung in der vierten Auflage von PERRY RHODAN aufmerksam geworden war. MYTHOR stand in einer im Halbkreis geschwungenen Schrift geschrieben, und darunter als Titel des Hefts Der Sohn des Kometen. Zwei Säbelzahntiger drohten, über einen jungen Krieger mit Schwert herzufallen. Im Hintergrund stand eine verzweifelte junge Frau mit bemerkenswert wenig Kleidung am Körper.
Ich hatte nicht mehr viel Zeit am Westbahnhof; ich ließ meine Ausrüstung bei einem Schulfreund zurück und hetzte davon, hin zu einer der gut sortierten Trafiken – und bekam gerade noch das letzte Exemplar von Mythor Nummer 1. Eines, das offenkundig im Lieferpäckchen zuoberst gelegen war, denn es zeigte die Spuren der damals typischen Einschnürung. Außerdem hing ein Teil des Titelbildes in Fetzen weg (die großteils entblößte Frau war zu meiner Erleichterung ganz geblieben). Ich hatte meinen MYTHOR, hurra! Ich war von Beginn an mit dabei.
Ich verschlang den Roman noch im Zug, ich war begeistert. Nicht nur wegen der ausgezeichneten Schreibe des Autors Hugh Walker (dessen Namen mir bis dahin unbekannt gewesen war), sondern auch wegen der Aufmachung. Es gab eine liebevoll gefertigte Karte, die den Weg des jungen Helden nachzeichnete, es gab vier hervorragend gemachte Innenillustrationen. Und eine Leserkontaktseite, wie ich sie bereits von PERRY RHODAN her kannte.
Ich war angefixt, und ich kaufte nach der Rückkehr von der Skikurswoche regelmäßig die Hefte mit den Abenteuern des jungen Mythor. Eines eher naiven Kerls vom Lande, der sich einmal seinen Platz in einer sonderbaren Fantasy-Welt erobern mußte und ständig von einem Abenteuer ins nächste getrieben wurde. Er bekam es auf seiner Reise mit grimmigen Heerführern und bösartigen Zauberern zu tun, mit edlen Maiden und geheimnisvollen Wesen.
Es dauerte eine Weile, bis sich ein roter Handlungsfaden zeigte und ich als Leser ahnte, wohin die Reise gehen würde. Ich entdeckte Lieblingsautoren (Paul Wolf vulgo Ernst Vlcek sowie Hugh Walker vulgo Hubert Strassl) und Lieblingszeichner (Peter Eilhardt). Ich hatte insbesondere mit den Figuren Nottr und Coerl O’Marn meine Freude. Der „Gorgon“-Zyklus gefiel mir, der „Vanga“-Zyklus eher weniger. Beim „Schattenzonen“-Zyklus war ich wieder mit voller Begeisterung mit dabei, zum Schluß der Serie hin vermißte ich die großen Zusammenhänge. Es war ein Auf und Ab, doch nie kam ich von MYTHOR los. Nur die letzte erschienene Nummer (192) konnte ich in Wien nirgendwo finden. Ich vermute, daß nur sehr wenige Hefte den Weg über die Grenze Deutschland/Österreich schafften. Erst viel später trieb ich das fehlende Heft auf – und dank der Mithilfe von Hermann Urbanek auch den niemals offiziell erschienenen Band 193 von Hubert Haensel.
Nun wird die Serie im Ebook-Format neu aufgelegt, alle 193 (!) Hefte. Vielleicht täuscht mich mein jugendliches, naives Ich, das mir über Raum und Zeit hinweg zuflüstert, daß große Teile von MYTHOR zeitlos gut geschrieben sind. Jedenfalls werd ich nach langer Zeit wieder mal reinschauen und in Mythors Gefolge fantasievolle und spannende Abenteuer erleben.
Ach ja: Noch bevor ich auf den Gedanken kam, PERRY RHODAN-Autor werden zu wollen, hatte ich den Wunsch, mal ein MYTHOR-Manuskript zu schreiben. Naja, vielleicht wird’s mal eine Fan-Story. Einfach aus Spaß an der Freud‘ …
Mythor scheint wirklich viele Fans gehabt zu haben, denn die Freude über die Rückkehr ist in einigen Blogs zu lesen.
Ich sammel ja selbst Hefte aller Art und habe auch einige Mythor-Romane im Regal liegen, aber gelesen hab ich sie bisher nie. Eure Vorfreude macht allerdings Lust darauf, dies mal in Angriff zu nehmen.
Deine Freude über die erste Serie, die man als Fan selbst von Band 1 an liest, habe ich bei Maddrax empfunden. 🙂
Was eine Trafik ist musste ich vorhin aber erst nachschlagen. 😉