Die Vernetzung

PERRY RHODAN ist Teamwork. Die Komplexität der Serie erfordert es, daß Autoren und Redaktion intensiven Kontakt halten. Hier ein kleiner Einblick, was denn da rund um das Entstehen eines Manuskripts alles geschieht, am Beispiel meiner aktuellen Arbeit.

  • Ich bekomme vorab einen Exposé-Entwurf von einem der beiden Expo-Autoren, dazu einige Anmerkungen. Ich lese den Text und bereite mich schon mal gedanklich auf die Arbeit vor, während ich noch an einem anderen Manuskript sitze. Diese Vorab-Lieferung ist nicht die Regel, aber es kommt schon mal vor.
  • Das Exposé wird von der Redaktion ausgesendet, damit ist es offiziell. Hier werden auch Termine genannt, der Zeichner, der Innenillustrator etc.
  • Ich beschäftige mich intensiv mit dem Expo und auch mit den Arbeiten der Kollegen, die mit Romanen vor bzw. gegebenenfalls nach mir dran sind.
  • Ich lege los. Einerseits arbeite ich die Vorgaben ab, andererseits ändere und ergänze ich. Die Reihenfolge der Kapitel wird ein wenig umgestellt, ich lege einen „Rhythmus“ fest, Personen werden ausdefiniert. Ich lasse mich auf meiner „Heldenreise“ von den Charakteren beeinflussen und entscheide unterwegs, wer von ihnen welche Rolle zugeteilt bekommt. Anmerkungen, die ich an den Rand des Expos gemacht habe, bekommen einen besonders hohen Stellenwert.
  • Ich nehme Kontakt mit Leo Lukas auf. Ich baue auf seinem Roman auf und er schickt mir schon mal einen Teil seines Textes. Natürlich ist er noch nicht fertig mit seiner Arbeit. Wir müssen uns also zwischendurch immer wieder austauschen.
  • Auch mit Michelle Stern unterhalte ich mich. Der Inhalt eines ihrer Romane hat ebenfalls Einfluß auf meinen Text. Es geht um Anschlüsse und um Erwähnung von Namen/Orten. In mehreren Mails reden wir über etwas, das insgesamt drei oder vier Zeilen Text ausmachen wird. Aber diese kleinen Dinge sind extrem wichtig. Sie geben dem Leser Kontinuität, sie sind sozusagen der Klebstoff der Serie.
  • Mit Verena Themsen und Christoph Dittert rede ich über ein ähnliches Thema. In diesem Fall muß ich vorausschauend auf kommende Romane kleine Änderungen vornehmen. Es geht darum, einen Fehler auszumerzen, den ich selbst in meinem vorletzten Roman verursacht habe und der der wachsamen Verena aufgefallen ist.
    Diese Kontinuitätsfehler sind manchmal schrecklich. Sie sind wie Steine, die man ins Wasser wirft. Sie lösen Wellen aus, die nach allen Seiten wirken und immer weitere Kreise ziehen.
  • Klaus N. Frick meldet sich. Er benötigt Titel und Untertitel für meinen Roman. Diesmal geht alles reibungslos vonstatten, er ist mit meiner Wahl zufrieden und ich kann erleichtert durchatmen.
    Die Titelgestaltung ist normalerweise meine Sache nicht. Bei Titeln und Untertiteln scheitere ich oftmals kläglich.
  • Nochmals Verena: Ich hab ein technisches Problem, das ich mit ihr zu klären versuche. Es stellt sich heraus, daß ich einfach nur ein Depp bin und auf Technologie vergessen habe, die bereits seit den Anfängen der Serie existiert. Ich erröte sanft, aber das sieht die gute Verena ja nicht.
    Dennoch hat diese Unterhaltung etwas Gutes: Ich kann ein Gimmick verwenden, das eigentlich völlig selbstverständlich sein sollte, das aber noch nicht in den Technik-Kanon eingeflossen ist. Warum auch immer – Rainer Castor hatte es nicht in seinen Datenblättern. Das wird nun nachgeholt.

Ich sollte dazu sagen, daß ich erst im ersten Drittel meines Manuskripts bin und noch längst nicht alle Hürden und Hindernisse beiseite geräumt sind. Die Arbeit an einem PERRY RHODAN-Text ist stets im Fluß. Es gibt immer wieder Hinweise von anderen Seiten, was ich wo und wie berücksichtigen muß. Ebenso kommuniziere ich mit Autoren, um meine Wünsche für zukünftige Romane bekannt zu geben. Die Anschlüsse müssen gelingen, die Kontinuität gewährleistet bleiben – und manchmal geht es in langen Mails bloß um zwei, drei Worte, die ergänzt oder ausgetauscht werden müssen.

Derzeit sind es geschätzte fünfzig Mails, die hin- und hergegangen sind. Vielleicht werden es letztendlich hundert, vielleicht sogar zweihundert, bis mein Manuskript abgehakt ist. So habe ich eben erst ein Mail zu einem vorherigen Roman aus meiner Mailbox gezupft. Zu einem Text, den ich schon vor Monaten abgegeben habe …

14 Kommentare Gib deinen ab

  1. Thomas sagt:

    So fremdbestimmt könnte – und wollte – ich net arbeiten…

    1. mmthurner sagt:

      Dann hast Du was falsch verstanden oder ich mich nicht deutlich genug ausgedrückt. Bei PERRY RHODAN geht es viel um Teamarbeit, es muß eine Kontinuität gewährleistet bleiben. Niemand möchte, daß Autor A eine Figur in Band 2897 sterben läßt und diese in Band 2898 von Autor B gesund und munter durch die Handlung geführt wird. Also arbeiten wir in dieser Hinsicht so eng wie möglich zusammen.
      Im Romantext selbst ist aber mehr als genug Raum für eigene Ideen, für die eigene Kreativität.

      1. Alles schon passiert. 😉
        Oder dass eine Figur im Band xxxx in der Galaxis A unterwegs ist, und im Band xxxx+1 in der Galaxis B in einem anderen Handlungsstrang. Da kribbelts kurz im Hirn, wenn man das liest, und der Verdacht erwacht,dass da was komisch ist.

  2. Björn B sagt:

    Vielleicht eignet sich für diese Art der Arbeit auch ein Collaboration-Tool wie Trello.
    Wir nutzen das für unser digitales Magazin auch, um uns zwischen Autor, Lektor und dem Redakteur auszutauschen.

    1. mmthurner sagt:

      So, wie es derzeit läuft, funktioniert es gut.

  3. Galaktischen Dank für diese interessanten Einblicke!
    Mögen weitere spannende Romane von dir folgen!

  4. Melanie sagt:

    Wow, da kann man wirklich von Team-Arbeit sprechen. Jeder ist vom anderen in gewisser Weise abhängig.

    Kann es sein, dass die Mails letzten Endes mehr Schreibarbeit sind als der eigentliche Roman? 😀

    1. mmthurner sagt:

      Nein, die Schreibarbeit ist schon noch ein bißl intensiver.

  5. Sonst könnte man ja auch die Mails veröffentlichen und der Leser braucht sich den Roman dazu nur noch zu denken. 😛

  6. Ich habe mir erst kürzlich im PR Werkstattband von 1986 die Entstehungsgeschichten der ersten Romane erneut durchgelesen. Die alten Hasen hätten sicherlich geglaubt, es handelt sich um ein Romanmanuskript, wenn sie hier lesen würden das man sich mal eben 50-100 Textauszüge in der Entstehung hin- und her schickt. Glaubst du, das es im Gegensatz zu früher ehr Einfacher/Stressfreier ist als damals, oder hatten die Autoren ohne Fax und Internet deiner Meinung nach mehr „Ruhe“ für ihre Arbeit ?(jetzt mal ganz davon mal abgesehen, das damals sicher mehr Fehler in Sachen „Kontinuität“ vorgekommen sind..)

    1. mmthurner sagt:

      Um zu relativieren: Nicht immer schicken wir Manuskript(teile) hin und her. Meist geht es um ein Frage-Antwort-Spiel. „Sag, trägt Person X bei Dir einen SERUN oder eine Bordkombination?“ oder dergleichen.
      Ich habe diese frühen Tage natürlich nicht erlebt. Aber ich denke, daß es zu jeder Zeit in der PR-Historie „Härten“ gab. Maschinschreiben und mit Tippex arbeiten – das ist für mich heute unvorstellbar (auch wenn ich auf einem schrecklichen mechanischen Ding aus den Fünfzigern gelernt habe). Auch die notwendigen Telephonate waren sicherlich von einer anderen Qualität. Ich bilde mir ein, in den biographischen Notizen von Inge Mahn-Voltz gelesen zu haben, daß der Willi Voltz oft viel Zeit in Telephonzellen verbracht hatte …
      Wir haben heutzutage viel mehr Möglichkeiten und nutzen das Internet zur Recherche sowie zur Kommunikation. Aber mit den größeren Möglichkeiten steigen auch die Ansprüche an uns selbst. Wir Autoren kümmern uns um Dinge, die früher irrelevant waren. Und natürlich ist der Zeitfaktor ein ganz anderer heutzutage. Die Abläufe werden enger getaktet als dazumals, als Expos und Manuskripte per Post verschickt wurden.

      1. JoelH sagt:

        Wieso wird heute enger getaktet? Nach wie vor wird pro Woche ein Roman veröffentlicht. Und ich vermute die reine Produktionszeit, also Satz und Druck gehen heute deutlich flotter von statten als früher. Wo geht also die Zeit hin?

        M.E. sind die heutigen Romane viel zu sehr aufeinander angestimmt und ein Zyklus ist eher ein langer Roman, als eine Reihe eigenständiger Romane mit jeweiligen Abschlüssen.

      2. mmthurner sagt:

        Es ist deutlich weniger Zeit als früher zwischen der Entstehung eines Expos und Erscheinen des Manuskripts

  7. Ganz davon ab, wie teuer längere Ferngespräche sicher damals waren.

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