Ein Gastbeitrag von Roman Schleifer zur Entstehung einer STELLARIS-Geschichte – und zu einem Weihnachtswunder.
Roman ruft auch zu einer Spendenaktion auf, bei der es einen richtig tollen Preis zu gewinnen gibt. Mehr dazu weiter unten im Text.
Sobald ich erzähle, dass ich zusätzlich zu meinem Brotjob Schriftsteller bin, prasseln eine Unmenge an Fragen auf mich ein.
»Wie bist du Schriftsteller geworden?«
»Woher nimmst du die Ideen?«
»Wie entwickelst du Figuren?«
»Was fühlst du, wenn dich die Muse küsst?«
»Wie kommst du zu deinen Geschichten?«
Zuletzt habe ich diese Fragen im November 2018 während meiner Japanreise beantwortet. Diese »Fragerunde« auf der anderen Seite des Planeten hat mich zu diesem Gastbeitrag inspiriert, in dem ich mich der letzten Frage – Wie kommst du zu deinen Geschichten? – widme, und zwar anhand der in PERRY RHODAN-Heft Nr. 2990 erschienenen STELLARIS-Kurzgeschichte Das Friedenslicht. (Achtung: Spoileralarm!)
Diese Weihnachtsgeschichte ergänzt nicht nur das Perryversum um eine weitere Facette, sie hat auch Auswirkungen in unserer realen Gegenwart. Mit dieser Story wird die jährliche Spendenaktion des reichweitenstärksten Radiosender Österreichs unterstützt, das Ö3-Weihnachtswunder. Doch dazu später.
Beginnen wir Anfang Februar 2018. Nach Abschluss einer Geschichte für das Computermagazin c’t, wollte ich wieder einen Beitrag für die Kurzgeschichten-Serie STELLARIS schreiben. In dieser Serie stehen die Alltagserlebnisse der Besatzung des Frachtraumschiffs STELLARIS im Mittelpunkt, daher fielen Mord und Totschlag automatisch aus dem Storyfundus. Es geht um den Alltag auf einem Raumschiff. Alltag zwischen den Besatzungsmitgliedern. Alltag zwischen Handelspartnern.
Sinnierend starrte ich auf die Baumwipfel gegenüber meines Arbeitszimmers und wartete auf den berühmten Kuss der Muse – der jedoch ausblieb. Seufzend überlegte ich, welchem Thema ich mich widmen wollte. Nach Inspiration suchend blickte ich in meine Bibliothek. Die Buchrücken der Bücher von Brandhorst, Eschbach, Gruber, Reilly, Fitzek (um nur einige zu nennen) halfen mir nicht auf die Sprünge. Die Sachbuchfraktion – »Fighter Combat«, »Vergessene Erfindungen«, »Luftkampf – Geschichte, Technik, Taktik«, »Swat Teams« (um auch hier nur einige zu nennen) – brachten die literarisch kreative Saite in mir ebenfalls nicht zum Schwingen.
Also drehte ich den Spieß um und fragte mich: »Worüber habe ich noch nicht geschrieben? Welches Thema interessiert mich?«
Nach zehn Minute der zerebralen Leere verwarf ich auch diesen Ansatz. Bekanntlich kommen die Ideen, wenn man sich ablenkt. Also prüfte ich den Email-Eingang, schenkte vier Facebookpostings ein »Gefällt mir« und las einen Wirtschaftsartikel in der New York Times. Dazwischen holte ich mir einen grünen Tee – alles ohne Ergebnis in puncto STELLARIS-Storyidee.
Der nächste Ansatz war profaner. Bei einer Vorlaufzeit von sechs bis neun Monaten würde die Geschichte zu Weihnachten oder im darauffolgenden Jahr erscheinen. Ich stockte.
Vor meinen Augen sah ich eine Tanne, liebevoll und aufwendig drapiert mit silbernem Glitter, Kugeln und echten, brennenden Kerzen. Ich kratzte mich am Kinn. Weihnachten ins sechste Jahrtausend auf einen Frachtraumer zu verlagern, war definitiv eine Herausforderung.
Kurzerhand öffnete ich das Denkbrett meines Lieblingsschreibprogramms Papyrus und erstellte ein Mindmap mit Begriffen zum Fest der Liebe: Rentier, Christkind, Weihnachtsmann, Christbaum, Eisbär, Lametta, Friedenslicht, Geschenke …
Meine Aufmerksamkeit huschte zurück.
Friedenslicht.
Ich pustete in den Tee und rekapitulierte mein Wissen über diesen Brauch. Im Zuge der Spendenaktion Licht ins Dunkel hatte 1986 eine Oberösterreicherin die Idee, aus der Geburtsgrotte Jesu Christi in Betlehem eine brennende Kerze nach Österreich zu holen und über die Kirchen an die Menschen als Friedenssymbol zu verteilen. Was in Linz begonnen hatte, breitete sich im Laufe der Zeit auf über dreißig Länder der Welt aus.
Was wäre, fragte ich mich, wenn der Brauch des Friedenslichtes Jahrtausende überlebt hatte? Wüssten nur die Terraner davon oder auch andere Milchstraßenvölker? Rankte sich gar ein Mythos darum? Und wie würde das Licht in der Galaxis verteilt werden?
Wie auch immer, ich hatte definitiv ein Thema und einen Arbeitstitel für meine dreizehnte STELLARIS-Story: das Friedenslicht.
Im nächsten Schritt benötigte ich einen Helden, der das Friedenslicht … ja, was eigentlich?
Fand? Suchte? Verloren hatte? Anzündete? Auspustete?
Nachdem ich meine Teetasse erneut befüllt hatte, ging ich analytisch an die Frage heran. Welches Szenario versprach den höchsten Grad an Konflikt?
Eindeutig die Suche!
Der Held musste das Friedenslicht finden, um … äh … ein Unheil abzuwenden. Alles andere wäre eine Story ohne Konflikt. Sobald es einen Konflikt gab, stand für den Helden etwas auf dem Spiel. Er kann nicht mit den Schultern zucken und das Setting verlassen, nein er will seine Aufgabe erfolgreich meistern.
Wollen heißt aber nicht können.
Die logische Frage ergab sich von selbst: Was passiert, falls er am Ende versagt und scheitert? Was steht für ihn auf dem Spiel?
Gut, das Friedenslicht bringt Frieden. Doch mal ehrlich. Wer glaubt, dass eine Kerze das Gegenteil von Frieden, nämlich Krieg, schlagartig beendet?
Eben, eben.
Und damit war ich endgültig beim Helden der Geschichte. Ohne den konnte ich kein Unheil definieren, das er abwehren musste. Wer, so fragte ich mich, würde das Friedenslicht suchen, um ernsthaft »Frieden« damit herzustellen?
Ich schloss die Augen, ließ meine Gedanken wandern und da passierte es. Ein Gedankenblitz zuckte durch mein Hirn, die Muse küsste mich.
Am Boden mitten in einer Kabine sah ich es: ein zehnjähriges Mädchen, das sich eine Dokumentation über galaktische Bräuche ansah und das ich später auf den Namen Meshika taufen würde.
Ich lächelte.
Das war die Heldin, die ich brauchte. Jung genug, um an die Wirkung des Friedenslichts zu glauben, aber alt genug, um bereits ein wenig verschlagen zu sein.
Bevor ich all zu euphorisch wurde, erinnerte ich mich an die Frage, warum sie unbedingt das Friedenslicht benötigte. Einen Krieg würde sie damit nicht beenden. Also: Warum wollte sie das Licht?
Hatte sie Streit mit einem Besatzungsmitglied, vielleicht sogar mit dem Kapitän?
Nein, sie war ja kein aktives Besatzungsmitglied. Der Kapitän konnte sie nur maßregeln, sofern sie sich nicht an die internen Spielregeln hielt. Das mit dem Licht zu lösende Problem konnte nur in ihrem persönlichen Umfeld liegen.
Bevor ich eine Antwort fand, erschrak ich. Gab es überhaupt Kinder auf der STELLARIS?Bislang hatte ich in keiner Story gelesen, dass Kinder von Besatzungsmitgliedern mitreisten. Konnte ich die STELLARIS als familientauglich klassifizieren?
Ich öffnete meine Recherche-Datei und setzte mir einen Hinweis für später. Im Fall des Falles würde ich es mit meiner Story einfach postulieren. Der Frachtraumer STELLARIS ist familienfreundlich und erlaubt Kinder der Besatzungsmitglieder an Bord.
Punkt.
Nicht ganz, denn ich würde diesen Umstand mit dem Redakteur Olaf Brill abstimmen müssen.
Apropos Redakteur. Bevor ich den Grund fand, warum Meshika das Friedenslicht suchen würde, klärte ich, ob Olaf einer Xmas-Story zustimmte. Kurzerhand schrieb ich ihm eine Mail: »Hast du Interesse an einer STELLARIS-Weihnachtsstory?«
Ein paar Minuten später rutschte die Antwort in mein Postfach. »Wenn du mir ein brauchbares Expo schickst und die Story spannend geschrieben ist: klar doch.«
Also holte ich gedanklich Meshika zurück. Wozu brauchte sie das Licht?
Während ich mir eine weitere Teetasse gönnte, fiel es mir ein: Sie wollte ihren Eltern Frieden schenken, weil sie unablässig stritten.
Warum?
Ja, warum lagen sich die Eltern in den Haaren? Welche privaten Differenzen ließen die Wogen hochgehen?
Ich entschied mich für das klassische Motiv der Eifersucht, ausgelöst durch ein neues Besatzungsmitglied., wodurch ich ebenfalls das Motiv für Meshika hatte: Angst.
Angst, dass die Beziehung ihrer Eltern zerbrach und sie zu einer Patchworkfamilie werden würden. Gut, bereits heute ist das fast der Normalfall, d.h. im sechsten Jahrtausend gibt es vermutlich gar nichts anderes mehr, aber ich denke, dass zehnjährige Kinder dennoch gern mit beiden Elternteilen aufwachsen würden.
Zufrieden mit der Entwicklung öffnete ich meine Logline-Datei und tippte »Meshika sucht das Friedenslicht, um die Streitereien ihrer Eltern zu beenden« hinein. »Falls sie scheitert, droht ihr ein Leben abwechselnd auf Arkon und Terra.«
Wieso auf diesen Planeten?
Weil ihre Eltern von diesen Planeten kamen. Und Meshika hatte keine Lust wöchentlich oder monatlich zu pendeln, nur weil sich ihre Eltern – übrigens zwei Frauen – nicht mehr vertrugen.
Ich rieb mir die Hände. Bei Figur, Ziel und Motiv konnte ich ein »erledigt«-Häkchen setzen. Bei »Konsequenzen des Scheiterns« ebenso. Den auslösenden Moment hatte ich ebenfalls: »Streit und die Dokumentation über galaktische Bräuche«.
Im nächsten Schritt musste ich überlegen, wo Meshika das Friedenslicht suchen und finden sollte.
Ich erschrak.
Das Licht konnte nicht auf der STELLARIS sein, musste sich entweder auf einem anderen Schiff oder einem Planeten befinden. Damit würde die Story außerhalb des Frachtraumers spielen. Bislang hatte ich immer Handlungen entworfen, die an Bord spielten. Nun würde ich den Raumer verlassen. Galt das dann noch als STELLARIS-Story?
Erleichtert erinnerte ich mich, dass es bereits die eine oder andere Story gegeben hatte, die außerhalb der STELLARIS spielte, also drohte von dieser Seite kein Ungemach. Schwierigkeiten entstanden jedoch aus einer anderen Überlegung: Meshika musste von Bord, um das Friedenslicht in die Finger zu kriegen. Wie konnte sie das schaffen, wenn der Bordbetrieb lückenlos von der allmächtigen Positronik namens STELLATRICE überwacht wurde?
Für einen langen Moment herrschte in meinem Kopf Stille, bis die Fragen auf mich einprasselten: Wie überlistet eine Zehnjährige eine Bordpositronik? Welche technischen Fähigkeiten muss sie haben, um das zu bewerkstelligen?
Weitere Probleme türmten sich auf. Auf welchem Planeten würde sie das Friedenslicht suchen? Wie sah er aus? Welche Gesellschaftsform erwartete sie dort? Mit welchem technischen Niveau der dortigen Zivilisation wurde sie konfrontiert? Wie umschiffte sie die Einreiseformalitäten?
Natürlich brauchte ich auf der Suche nach dem Friedenslicht ebenfalls Konflikte, sprich: Meshika konnte das Licht nicht auf direktem Weg finden, musste also Hürden überwinden. Und weil Hürden allein nicht genügend Spannung erzeugen, musste ihr auch ein Bösewicht im Weg stehen. Aber kein eindimensionaler, sondern einer mit einer nachvollziehbaren Motivation für sein Verhalten. Der Leser sollte sagen: »Ich heiße zwar sein Verhalten nicht gut, aber ich verstehe es und würde selbst so handeln – in seiner Situation.«
Und ich konnte die Kleine nicht allein auf einen fremden Planeten lassen. Sie brauchte einen Begleiter, vielleicht auch in der Funktion des Funny Sidekicks. Außerdem durfte ich nicht vergessen, dass sich Meshika am Ende zwischen zwei unvereinbaren Dingen entscheiden musste. Sie musste einen Preis dafür bezahlen, um das Friedenslicht in Händen zu halten – falls es ihr gelang, doch diese Überlegung verschob ich ans Ende des Plotprozesses. Um erfolgreich zu sein, musste sie etwas eintauschen, das für sie einen hohen ideellen Wert hatte. Eine zusätzliche Pointe wäre, wenn dieses etwas auch einen hohen materiellen Wert hatte, von dem aber nur die Leser und ihre Mütter wussten.
Apropos Mütter: Wie reagierten sie auf Meshikas Abwesenheit? Bemerkten sie ihr Fehlen rechtzeitig, bevor die STELLARIS abflog? Starteten sie eine Rettungsaktion? Und war es nicht gerade Mode auf Arkon, Neugeborenen zu chippen, damit sie ortbar waren?
Uff.
Da hatte ich mir wieder ein besonderes Ei gelegt. Einfach mal schnell eine Story entwickeln, würde ich wohl in diesem Leben nicht erleben. Aber zumindest hatte ich eine brauchbare Idee, die es auszuformulieren galt.
Dank der Uhrzeit konnte ich all diese Gedanken verschieben, denn ich musste mich in Richtung meiner Arbeitsstätte begeben. Doch ich hatte mich getäuscht, denn ich hatte angebissen. Die Probleme kreisten weiter in meinem Inneren. In der Ubahn, in der Mittagspause, auf dem Heimweg, unter der Dusche.
Und an einem dieser Zwischenaufenthalte von der Idee zur fertigen Story verknüpfte sich die Weihnachtsstory mit der Unterstützung der Spendenaktion Ö3-Weihnachtswunder. Bereits im Jahr 2016 hatten der PR-Stammtisch Wien und ich diese Aktion unterstützt und Geld für Menschen in Not gesammelt, denen diese Aktion gewidmet ist. Damals versteigerten wir drei signierte PR-Hefte.
2018 ist es ein STELLARIS-Paket geworden, darin enthalten: Mein Expo, das Titelbild von Yähz (ihr ist es gelungen alle Plotpoints der Story in einem Titelbild einzufangen!) von der ALLIGATOR-Farm. Und die von ihr, dem Redakteur Olaf Brill und mir signierte Story in Heft Nr. 2990. Als Draufgabe gibt es die Signatur von Susan Schwartz, die PR-Heft Nummer 2990 geschrieben hat. Vielleicht lege ich sogar noch einen japanischen RHODAN dazu, den ich von meiner Japanreise mitgenommen habe. Mal sehen.
Wie kommt der Fan zu dem STELLARIS-Paket?
Ganz einfach: Er spendet für die PR-Stammtischaktion zugunsten des Ö3-Weihnachtswunders. Die genauen Modalitäten finden sich auf der offiziellen Homepage des Wiener PERRY RHODAN-Stammtisches: Frostrubin – Weihnachtswunder
Ich hoffe, dass sich viele Fans daran beteiligen, immerhin geht es darum, Leid und Not von Menschen zumindest finanziell ein wenig zu lindern.
Wer mehr über das Ö3-Weihnachtswunder wissen will, klickt auf den offiziellen Link der Aktion: Ö3-Weihnachtswunder
Zurück zum Weg von der Idee zur fertigen Story, denn es sind noch eine Menge Fragen in diesem Beitrag offen – und sie werden es aus dramaturgischen Gründen auch bleiben. Wer wissen will, wie ich sie beantwortet habe, kauft sich PR-Heft Nr. 2990 und liest Das Friedenslicht nach. Und wer das STELLARIS-Paket haben möchte, der unterstützt die Spendenaktion des Wiener Stammtisches, um zumindest zu Weihnachten ein paar Menschen Frieden zu spenden.
In diesem Sinne: gute Unterhaltung mit der Story und ruhige Feiertage.
Das „Weihnachtswunder“-Logo ist © Ö3/orf. Das Titelbild zur STELLARIS-Geschichte ist © Yähz. Der Screenshot des Exposés ist © Roman Schleifer.