Schreiben hinter Klostermauern. Ein Selbstversuch (Teil 1)

„(… oder wie prokrastiniere ich richtig …)“

So der Untertitel von Thomas Jantz‘ Gastbeitrag.
Ich durfte Thomas im Herbst 2018 erstmals bei einem meiner Schreibcamp begrüßen. Ich habe ihn als besonders begeisterungsfähigen Autor kennengelernt, der viel Energie ins Schreiben investiert und in kurzer Zeit große Fortschritte gemacht hat.
Aufgrund der Länge des Textes musste ich teilen, der zweite Teil von Thomas‘ unterhaltsamem Erfahrungsbericht aus dem Franziskanerkloster Maria Eck erscheint morgen. Und nun viel Spaß beim Lesen!

Ein Tisch. Ein Stuhl. Ein Schrank. Ein altmodischer, kleiner Sessel mit Holzarmlehnen. Rechts und links an der Wand jeweils ein frisch gemachtes Bett. Auf dem Tisch eine Leselampe, eine kleine, grob geschnitzte Figur der Jungfrau Maria und eine Bibel. An der weiß gekalkten Wand zwischen Tisch und Bett ein Holzkreuz mit dem Abbild Jesu. Der Blick aus dem Fenster ist atemberaubend. Strahlender Sonnenschein. Dicht bewaldete Hügel soweit das Auge reicht. Am Horizont im leichten Dunst die Umrisse der Alpen.

Das ist Zimmer 23 des Franziskanerklosters Maria Eck im Chiemgau. Ich stehe im Türrahmen, gerade angekommen. Genauso habe ich es mir vorgestellt. Was nicht verwunderlich ist, denn es sieht fast so aus wie das abgebildete Zimmer in der Besucherbroschüre. Doch was zur Hölle mache ich in einem Kloster?

***

Ein Blick zurück: Vor einigen Wochen, Anfang September, mein Jahresurlaub stand vor der Tür, erreichte mich die Nachricht, dass das Herbstcamp von Michael M. Thurner nicht stattfinden würde. Eine mittlere Katastrophe … daran hatte ich erst mal eine Weile zu knabbern. Zudem hatte ich plötzlich freie Zeit zur Verfügung. Welch ein Dilemma. Was tun? Den eingereichten und schon genehmigten Urlaub zurückgeben und die Tage ein andermal sinnvoll einsetzen? Dazu hatte ich keine Lust. Ein Ersatz musste her. Ich wollte schreiben. Unbedingt. Wenn’s denn sein sollte auch allein. Im folgenden Urlaub verfestigte sich eine Idee, die ich schon länger mit mir herumtrug. Bisher hatte mir nur die Zeit und Gelegenheit gefehlt. Ich würde ins Kloster gehen. Na klar! Eine Auszeit nehmen und schreiben auf Teufel komm raus, nur eben im Kloster.

Im Urlaub musste ich wandern. Viel wandern. Etwas, das ich sonst sehr genieße, doch mein Kopf war diesmal nicht frei. Spät abends, als Frau schlief, schlich ich mich klammheimlich an den Computer und recherchierte. Der passende Ort war erstaunlicherweise schnell gefunden. Da gab es doch tatsächlich ganz in der Nähe unseres Ferienortes ein Kloster mit Übernachtungsmöglichkeit. Schlappe fünf Kilometer entfernt. Raffiniert wie ich nun mal bin, konzipierte ich mit Hilfe meiner Wander-App eine Route, die rein zufällig am Kloster Maria Eck vorbeiführte. Während meine Frau am nächsten Tag die Umgebung des Klosters erkundete, verirrte ich mich, wieder »rein zufällig«, an die Pforte des Gästehauses. Eine kleinere, aber viel ältere Version der Miss-Marple-Darstellerin Joan Hickson öffnete mir die Tür. Dann ging alles sehr schnell und unkompliziert. Zum gewünschten Zeitraum war noch ein Zimmer frei. Innerhalb von knapp zehn Minuten waren die Formalitäten erledigt. Wahnsinn! Ich konnte mein Glück kaum fassen. Jetzt musste ich es nur noch meiner Frau beibringen. (Aber das ist eine Geschichte für sich.)

***

Jetzt bin ich hier. Der Ausblick aus dem Fenster macht mich immer noch fertig. Als Erstes werde ich den Schreibtisch ein wenig auf Vordermann bringen. Mit Laptop, MP3-Player, Notizblock, Stiften. Und dann geht’s los mit meiner Geschichte, die mir schon eine Weile im Kopf rumspukt. Aber nein, vielleicht lieber erst mal ein paar Fotos schießen. Solange das Wetter sich noch so gut hält. Ich bin noch müde von der Anfahrt. Ein bisschen frische Luft wird mir guttun. Ich schnappe mir meine Kamera und begebe mich nach draußen auf Fotoexkursion.

Maria Eck AussenDas Kloster liegt sehr idyllisch auf einer kleinen Anhöhe. Ich mache Bilder aus jeder erdenklichen Lage und Perspektive. Die Fototour dauert länger als gedacht. Es geht auf 18 Uhr zu. Zeit fürs Abendessen. Und danach will ich mich frisch gestärkt ans Werk machen. Zeit, mit dem Schreiben anzufangen.

Zum Abendessen gibt es Brot, Käse und … Käse. Jede Menge Käse. Und eine kleine Portion Krautsalat.

Nicht sehr abwechslungsreich. Aber Moment mal, stimmt ja! Es ist Freitag.

Im benachbarten Klostergasthof nimmt man es mit dem Freitag nicht so genau. Dort genehmige ich mir einen zünftigen Rindereintopf, ein Hefeweißbier, aber nur ein kleines und zum Nachtisch gibt es einen Mohr im Hemd.

Gestärkt und gesättigt mache ich mich auf den Weg zurück. Draußen an der frischen Luft merke ich doch das Bier. Müdigkeit macht sich bemerkbar. Ich mache noch einen kleinen Spaziergang rund ums Kloster. Es ist inzwischen stockdunkel und das Klostergebäude wird von ein paar Scheinwerfern dezent angestrahlt. Das Motiv darf ich mir natürlich nicht entgehen lassen. Auf geht’s zum Fotoshooting Nummer zwei!Irgendwo ist immer eine Katze2

Ja, auch diese Fototour zieht sich ein wenig hin. Einige Fotomotive, speziell in der Dunkelheit, sind einfach zu verlockend. Inzwischen, irgendwo in meinem Hinterkopf, muss ich mir eingestehen, dass es mit dem Schreiben heut doch nichts mehr wird. Was soll’s. Ich habe ja noch fünf volle Tage. Jede Menge Zeit, und dass ich gleich nach Ankunft losschreiben würde, war ja eh, machen wir uns da nichts vor, absolut illusorisch. Aber morgen direkt nach dem Frühstück geht’s los!

***

Am nächsten Morgen sitze ich um sieben Uhr – eine unmenschliche Zeit – am Frühstückstisch. Miss Marple/Joan Hickson, von der ich erst jetzt erfahre, dass sie eigentlich Schwester Irene heißt, begrüßt mich so herzlich, als wäre ich ihr verschollener, heimgekehrter Sohn.

Selfie Klosterstube3Nach dem Frühstück geschieht das Unfassbare: Ich sitze vor meinem Laptop. Und zwar im Klosterstübchen, ein Aufenthaltsraum im ersten Stock, urgemütlich mit holzgetäfelten Wänden und Kachelofen. Das Schreibprogramm ist geöffnet, doch irgendwie geht es nicht voran. Meine Muse ist wahrscheinlich Langschläferin … Dann sind sie wieder da, die dunklen Gedanken, die mir wie ein ständiger Begleiter auf die Schulter klopfen. Selbstzweifel nagen an mir. Sie kommen und gehen und manchmal bleiben sie auch länger. Wie auch jetzt. Das Klosterstübchen ist inzwischen von der schräg einfallenden Sonne lichtdurchflutet. Ein Spaziergang ums Kloster wäre jetzt nicht schlecht. Fotos bei Sonnenaufgang habe ich schließlich noch nicht gemacht.

(Wird fortgesetzt.)

 

Die Bilder sind © Thomas Jantz.

2 Kommentare Gib deinen ab

  1. Xeniana sagt:

    Klingt sehr spannend. Ich bin neidisch.

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