„(… oder wie prokrastiniere ich richtig …)“
So der Untertitel von Thomas Jantz‘ Gastbeitrag.
Ich durfte Thomas im Herbst 2018 erstmals bei einem meiner Schreibcamp begrüßen. Ich habe ihn als besonders begeisterungsfähigen Autor kennengelernt, der viel Energie ins Schreiben investiert und in kurzer Zeit große Fortschritte gemacht hat.
Aufgrund der Länge des Textes musste ich teilen, der erste Teil von Thomas‘ unterhaltsamem Erfahrungsbericht aus dem Franziskanerkloster Maria Eck ist gestern erschienen, und zwar hier: Teil 1. Und nun viel Spaß beim Lesen!
Seit meinen Aufenthalt in Neuseeland im Jahr 2001 bin ich Rugby-Fan. Die All Blacks, die Nationalmannschaft Neuseelands, sind »meine« Mannschaft. Rugby? Wie passt das jetzt hierher? Ich bin zurück im Klosterstübchen. Hier gibt es übrigens vollen WLAN-Empfang. Das habe ich ganz vergessen zu erwähnen. In Japan findet gerade die Rugby-WM statt. Für Rugbyfanatiker in Europa eine ideale Zeitdifferenz. Es ist kurz vor zehn und Neuseelands All Blacks stehen gegen Englands Red & Whites im Halbfinale. Neuseeland hat die Möglichkeit, zum dritten Mal hintereinander Weltmeister zu werden. Das darf ich mir nicht entgehen lassen. Dank des WLAN-Empfangs gar kein Problem.
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Die nächsten Tage im Kloster, sie sind fantastisch und unbefriedigend zugleich. (Es gibt auch ein »Problem« weniger: Neuseeland hat sang- und klanglos gegen England verloren. Absolut verdient, leider.) Gleich am zweiten Tag mache ich im Klosterkeller eine Entdeckung mit Folgen. Am Ende eines langen Ganges im Klostergewölbe, hinter einer unscheinbaren Tür, befindet sich eine kleine urige Bibliothek.
Das Stübchen im Gästetrakt ist sofort ad acta gelegt! Die Bibliothek wird für die nächsten Tage mein Schreibzimmer sein. Ich schleppe all meine Utensilien runter ins Gewölbe, mache es mir an einem Tisch in der Ecke gemütlich, direkt in meinem Rücken ein nicht gerade kleines Kruzifix. Jesus is watching you, in der Tat. Zum ersten Mal kann ich mich richtig konzentrieren und ein wenig an meiner Geschichte feilen. Das Meiste ist zwar nur handschriftliches Plotten im Notizblock, aber immerhin. Jawoll! Gott sei Dank! (Darf man das im Kloster sagen?) Es flutscht! Ich fange an, ganze Sätze in mein Laptop zu tippen. Ich vergesse die Zeit und damit auch prompt mein (erstes!) Mittagessen. Schwester Irene steht plötzlich neben mir und fragt recht trocken-sarkastisch, ob ich »hier unten« denn die Küche suche? Werklisch sehr witzisch!
Ich komme über eine halbe Stunde zu spät und ziehe mir für kurze Zeit den Zorn der Köchin zu. »Geh nie nach dem ersten Eindruck.« So lautet ein Motto von mir. Hoffentlich ist’s auch ein Motto der Köchin.
Drücken wir mal die Flash-Forward-Taste: Abgesehen davon, dass ich für den Rest meines Aufenthalts immer pünktlich zum Mittagessen erscheine, halten sich meine übrigen Erfolgserlebnisse in Grenzen. Der Output meiner Anstrengungen ist nicht gerade üppig. Ich sehe hier mehrere »Schuldige«, die mich gezielt (und wahrscheinlich aus purer Bosheit) von meinem eigentlichen Vorhaben abhalten. Als Schuldiger Nummer eins wäre das Kloster selbst zu nennen. Die Atmosphäre hier hat etwas Gespenstisches, Magisches. Schon beim Betreten des Gästetraktes fällt dem Besucher sofort eines ins Auge, beziehungsweise ins Ohr: Stille. Fast absolute Stille. Man bewegt sich unwillkürlich langsamer und versucht, so gut es geht leise aufzutreten. Bei jedem Schritt knarzende Holzdielen. Manchmal hört man von irgendwoher Stimmengewirr. Ab und zu das leise Klappern von Geschirr. Es herrscht ein angenehmes, gedämpftes Licht. Ohne dass es aufdringlich wirkt, bekommt der Besucher dezente Hinweise, dass er sich in einem Haus Gottes befindet: An den Wänden gerahmte Bibelzitate, auf den Fenstersimsen kleine Madonnenfigürchen aus Holz geschnitzt oder in Kerzenform, in jedem Raum ein Kruzifix und eine fast lebensgroße Statue des Heiligen Franziskus direkt am Eingang zum Gästetrakt. Über all dem hängt zu jeder Tages- und Nachtzeit ein Geruch, ein ungemein angenehmer Duft, der sich sehr schwer definieren lässt. Eindeutig ein Hauch von Orange, ein wenig Myrrhe oder Weihrauch und vielleicht noch Zedernholz. Es ist dieser Duft und die Atmosphäre des Klosters, die mich während meines Aufenthalts sehr oft »lustwandeln« lassen. Besonders spät abends, wenn nur noch ein paar Kerzen und die Notbeleuchtung in den Fluren brennen.
Schuldiger Nummer zwei ist ganz eindeutig (und banal) das Wetter. Die ersten drei Tage nur strahlender Sonnenschein und fast keine Wolke am Himmel. Spaziergänge in die nahegelegenen Wälder sind da unweigerlich vorprogrammiert. Eigentlich möchte ich schreiben. Es ist das allerschönste Wetter. Kann es etwas Schlimmeres geben? Aber selbstverständlich! Gar kein Problem. Die Antwort heißt »Nebel«. Am Tag vier ist es erst leicht diesig, dann steigt vom Tal langsam der Nebel auf. Mit einem Schlag hat sich die Landschaft total verändert. Ein Traum! Ich liebe diese Art von Wetter in den Bergen. Das gibt bestimmt ein paar schöne Fotomotive.
Gut, so langsam komme ich zum Ende und wage ein kleines Résumé. Es ist ganz klar ein wenig anders gelaufen, als ich es mir vorgestellt habe. Sich einfach mal ein paar Tage von zu Hause abmelden und in aller Abgeschiedenheit etwas Konstruktives aufs Papier zu bringen … das hat nicht so gut funktioniert und dazu fehlte mir leider die nötige Routine. Am erfolgreichsten war ich eindeutig am fünften (letzten) Tag. Draußen hat es ununterbrochen in Strömen geregnet und ich saß bis zwei Uhr nachts in der Bibliothek. Da hatte es mal ausnahmsweise funktioniert. Erschwerend hinzu kamen noch meine zuvor schon erwähnten »dunklen« Gedanken. Mit den eigenen Schreibkünsten zu hadern und Selbstzweifel sind mir nicht fremd, aber sie standen während meiner Klostermission fast täglich auf der Tagesordnung. Meine Laune war in diesen Momenten auch nicht die beste …
Das heißt aber nicht, dass ich meinen Klosteraufenthalt bereue. Ganz und gar nicht. Ich würde es sogar jederzeit wieder tun, nur dann vielleicht an einer etwas weniger reizvollen »Location« (ein furchtbares Wort). Ach Quatsch. Glatt gelogen! Ich weiß ganz genau, dass ich irgendwann wieder nach Maria Eck fahren werde. Am Ende kann man meine Erfahrungen mit einem Zitat von Badesalz, ein bekanntes hessisches Kabarettistenduo, zusammenfassen: »Mer kann’s ned erzwinge … mer kann’s afach ned erzwinge.«
Ich könnte noch ewig so weiter babbeln. Es gab noch einige witzige Erlebnisse, wie zum Beispiel das Gespräch in der Rugbyhalbzeitpause mit Bruder Anselm (Name natürlich geändert), der mir von seiner Beziehung – vor seiner Berufung zum Priester – mit einer Rugbyspielerin und ihren »erstaunlichen, körperlichen Fähigkeiten« berichtete. Aber auch das ist eine andere Geschichte und würde etwas zu weit führen.
erledigt Mit freundlichen Grüßen Andreas Prodehl
prodehl@online.de 0170 2855057 http://www.lesershow.net
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