Ich nähere mich dem Ende meiner „Trainingsreise“ und denke viel drüber nach, welche Erinnerungen denn besonders prägnant sind und welche Erlebnisse mich besonders beeindruckt haben. Es kommt mir dabei immer wieder ein ganz besonderer Landstrich im Norden Norwegens in den Sinn ….
Ich hatte in der Nähe von Mo i Rana eine Begegnung mit einem Münchner Motorradfahrer.
Derartige Treffen sind das Salz in der Suppe auf einer längeren Reise. Man tauscht Erlebnisse und Wetterberichte aus, man informiert sich gegenseitig über besonders schöne Strecken, man plaudert über Gott und die Welt. In einer Zeit, da Corona die Kontaktdichte begrenzt, ist es schön, mit Gleichgesinnten reden zu können.
Der Münchner Biker empfahl mir einen Campingplatz abseits der Hauptreiserouten. Er wäre schön und ruhig, der Besitzer sehr freundlich. Die Wettervorhersage kündigte für die nächsten Tage ohnedies schlechtes Wetter an. Egal, wohin ich mich wenden würde. Also beschloss ich kurzerhand, dieser Empfehlung zu folgen und das Wetter so anzunehmen, wie es kommen würde. Ich fuhr bei großteils regnerischem Wetter von der E6, die quasi von Oslo bis zum Nordkap führt, ab und nahm die Bundesstraße 76 Richtung Bronnoysund. Einer Kleinstadt, die von den Schiffen der Hurtigruten angelaufen wird und dementsprechend touristisch ausgerichtet ist. Kurz davor ging eine Straße ins Hinterland ab. Schmal, kurvig, eng und in schlechtem Zustand war sie.
Irgendwann landete ich beim gesuchten Campingplatz. Er war klein und nebstbei geführt. Der Besitzer, ein Holländer, war ein „Aussteiger“, der sich im Norden Norwegens ein Stück Land gekauft hatte. Mit 24 Hektar wäre sein Grund deutlich kleiner als der seiner Nachbarn, erzählte er. Dennoch fand ich imposant, was er dort im Laufe der letzten Jahre aufgebaut hatte. Sechs Hektar werden landwirtschaftlich genutzt, dazu gibt es einige Hektar Wald, einen See und ein Stück Berg. Der Besitzer ist großteils Selbstversorger. Was ihm an Feldfrüchten übrigbleibt, wird verkauft.
Ich hatte die Gelegenheit, länger mit dem Besitzer zu plaudern und mich über seine Lebensumstände zu informieren. Er führt eine Art Mischkalkulation. Den Teich befischt er und verkauft den Fang, ebenso wie Elchfleisch. Schließlich darf er pro Saison sieben bis acht dieser imposanten Tiere schießen. Die „Hytter“, die er an Touristen vermietet, sind von der Bodendiele bis zum Dach aus dem Holz gefertigt, das er aus seinem Wald schlägert … Unmittelbar neben den Hytter fanden sich dazu noch zwei Wikingergräber; Steinplatten, die vom Moos überwachsen waren und kaum als Grabstätten erkennbar waren. Aber gerade so kleine Sehenswürdigkeiten machen eine Gegend für mich erst so richtig reizvoll.
Er waren viele Dinge, die er erzählte, die ich zu sehen bekam und die das Land rings um mich greifbarer und begreifbarer machten. Dazu kam diese ganz besondere Stimmung: Ein feiner Nieselregen war zu spüren, ohne dass er mich störte. Zu hören war nix, rein gar nix. Kein Windrauschen, kein Vogelgezwitscher. Ich fühlte mich wie am Ende der Welt, weit weg von allen Sorgen und Problemen.
Der Besitzer hatte einen riesigen Haufen Feuerholz parat und ich schaffte es, trotz der Feuchtigkeit ein Feuer in Gang zu bringen. Als es endgültig aufhörte zu regnen, wärmte ich mich dort, arbeitete an meinem iPad und starrte zwischendurch ins Feuer oder auf den See, der sich vor mir ausbreitete. Irgendwann einmal, spät am Abend, setzte sich der Besitzer in sein Kanu und paddelte zu den Fischreusen, um den Fang zu überprüfen. Das Platschen der Blätter war zu hören, als er in der Dämmerung verschwand. Das war alles, was ich an diesem mystischen Abend zu hören bekam.
Die Sonne bekam ich an diesem Tag und auch am nächsten nicht zu sehen. Dafür aber zwei Elche, die nahe der Straße durchs Unterholz stapften. Gewaltig große Tiere, die majestätische Schritte taten und sich rasch wieder zwischen niedrig wachsenden Birken verloren.
Ich war glücklich wie selten zuvor.








Ein sehr schöner und poetischer Bericht, da kann man sich schon heute auf Deine Berichte von der „grossen“ Reise freuen! Mlg Günther
Vielen Dank!
Ja, ich freu mich auch schon auf die Reise.