Walter Ernsting

Walter Ernsting vulgo Clark Darlton, Mitbegründer der PERRY RHODAN-Serie, starb im Jänner 2005. Wenige Jahre zuvor hatte ich die Gelegenheit, ihn persönlich kennenzulernen. Zu einer Zeit, da ich professionelles Schreiben grade mal als vage Idee in Betracht zog, um mir meinen Lebensunterhalt zu verdienen.

Der Kontakt kam im Zuge der Recherchen zum Buch „60 Jahre Ernst Vlcek – Autor, Mensch, Terraner“ zustande, an dem ich mitwirkte. Wir – einige Leute vom Wiener PERRY RHODAN-Stammtisch – wollten von Walter Ernsting eine Wortspende zum Buch haben. Ich wußte, daß er in Salzburg wohnte, also suchte ich kurzerhand im Telephonbuch nach seiner Adresse – und, oh Wunder! – ich fand sie.

Wolfgang Zenker, Walter Ernsting und meinereiner, im Frühjahr 2001.
Wolfgang Zenker, Walter Ernsting und meinereiner, im Frühjahr 2001.

Ich schrieb ihm also einen Brief, irgendwann im Spätsommer des Jahres 2000. Er war handgeschrieben, Kopie ist leider keine mehr vorhanden. Und schon bald darauf erhielt ich eine Antwort, ebenso handgeschrieben. Er bedankte sich sehr herzlich, er erklärte sich bereit, einen Text für Ernst zu verfassen. Ich hatte dazumals den Eindruck, daß er richtiggehend danach hungerte, mit uns Fans in Kontakt zu treten.

Einer der ersten Briefe ...
Einer der ersten Briefe …

Ich telephonierte bald darauf mit ihm. Das war eine Angelegenheit, bei der ich froh war, daß Walter mich nicht sehen konnte. Ich war schweißgebadet vor Aufregung. Er war nun mal einer meiner Helden, wenn’s um deutschsprachige SF ging und um PERRY RHODAN im besonderen. Nicht, daß ich all seine Romane immer gut fand – aber ich mochte sein Art sich auszudrücken. Diese kleine Prise Naivität und Einfachheit, den Humor, die Neugierde am Wunder der Schöpfung – Vieles davon begeisterte mich.

Zum 60. Geburtstag von Ernst Vlcek
Zum 60. Geburtstag von Ernst Vlcek

Walter sagte mir, daß er sich freuen würde, drei Leute vom Wiener Stammtisch zu sich nach Hause einzuladen. Mehr gehe nicht. Er war anfällig auf Infektionen, durfte die Wohnung nur bei sehr schönem Wetter verlassen. So machten Wolfgang Zenker, Erich Loydl und ich uns eines schönen Frühlingstags auf den Weg, um ihn in der Stadt Salzburg zu besuchen.

Es war eine bemerkenswerte Reise und ein bemerkenswertes Gespräch. Wir saßen einem Mann gegenüber, der nicht mehr sonderlich gesund war – der aber aufblühte, als er mit uns ins Plaudern kam. Er wärmte alte Geschichten auf und verriet kleine Interna aus  seiner Zeit bei PERRY RHODAN. Walter kehrte sein bemerkenswertes Talent als Geschichtenerzähler hervor und unterhielt uns. Manchmal unterbrochen von Pausen, in denen er tief Atem holen mußte, aber immer mit glänzenden, jungen Augen.

Die Unterhaltung dauerte mehrere Stunden, und ich befürchte, wir strengten ihn ganz schön an mit all unseren Bitten um Autogramme und Unterstützung bei diversen Projekten. Aber er tat es gerne und geduldig, setzte seine Unterschrift auf Dutzende Plakate und Schriftstücke, die wir für den Austro-Con im Herbst 2001 vorbereitet hatten.

Irgendwann einmal war Schluß, wir mußten heimfahren. Doch wir durften die Wohnung nicht verlassen, bevor er nicht mit einem Glas schottischen Whiskys auf uns angestoßen hatte. Wir sollten ihn wohl so in Erinnerung behalten, wie er sich selbst immer gern gesehen hatte: lächelnd, einem guten Schluck zugetan und im Kreise seiner Fans. Ich glaube allerdings nicht, daß ihm der Gerstensaft an diesem Tag sonderlich gut tat …

Walter sah sich außerstande, den PERRY RHODAN-Stammtisch in Wien zu besuchen, das mußten wir akzeptieren. Aber er bat uns ein Jahr später nochmals zu sich, in ein ausreichend großes Restaurant in Salzburg, am 5. August 2002. Und so nahmen etwa dreißig Fans die 300-Kilometer-Strecke auf sich, um mit ihm zu plaudern.

Wenn ich jetzt so drüber nachdenke, muß dieser Tag für Walter schrecklich anstrengend gewesen sein. Er kam in Begleitung seiner Lebensgefährtin und seines Sohnes, er mußte mit einem Rollstuhl ins Lokal geführt werden. Er plauderte mit jedem von uns, gab wiederum bereitwillig Autogramme, machte Scherze, nahm sich für jeden Einzelnen Zeit. Ich vermute, daß er für diese paar Stunden schrecklich büßte. Aber es war das, was er wollte. Er hungerte nach Unterhaltung, nach Aufmerksamkeit. Nicht aus Eitelkeit, sondern weil er ein kommunikativer Mensch gewesen war.

Er zeigte sich großzügig, weit über das Normale hinaus. Er schickte dem Stammtisch im Nachhinein Geld zur Abdeckung von Unkosten (!), die wir mit dem Lokal gehabt hätten.
Zum Austro-Con IV im Jahre 2001
Zum Austro-Con IV im Jahre 2001

Walter gab sich herzensgut, auch bei den Telephonaten, die ich danach sporadisch mit ihm führte. Ich schickte ihm meine ersten literarischen Ergüsse, er las sie unter Schwierigkeiten (sie waren ihm in zu kleiner Schrift abgedruckt) und gab mir allgemeines Feedback. Er plädierte damals sehr dafür, seine Lieblingsfigur Gucky endlich erwachsen werden zu lassen, und den Gefallen tat ich ihm in einer meiner Kurzgeschichten.

Als ich Walter, mittlerweile in meinem neuen Beruf als Autor angekommen, im Band 24 der Heftromanserie BAD EARTH ein kleines Denkmal setzte und ihn als Handlungsfigur auftreten ließ, war er nicht sonderlich begeistert. Er mochte diese Form des Ruhms nicht, war womöglich mit meiner zu verklärten Sicht auf ihn und mit meinem Schreibstil nicht einverstanden. Er sagte es mir am Telephon. Nicht direkt – aber ich spürte, daß er wegen dieser Widmung ein bißl böse auf mich war.

Meine nächste und letzte Begegnung mit Walter fand am Friedhof statt, als er im Beisein hunderter Fans zu Grabe getragen wurde. Zu Musik, die er zu Lebzeiten selbst ausgesucht hatte. In der Aufbahrungshalle standen und lagen Dutzende Kränze, Trauernde waren aus dem gesamten deutschsprachigen Raum gekommen, um ihm die letzte Ehre zu erweisen. „A schene Leich“, so sagt man dazu in Wien.

Es war nicht das Tamtam, das mich an diesem Tag im Jänner 2005 so beeindruckte. Es war die Tatsache, DASZ diese Leute gekommen waren. DASZ Walter so viele Menschen bewegt hatte. DASZ er sie miteinander verbunden hatte und DASZ sein Einfluß über den Tod hinaus immer noch zu spüren ist.

Gestern noch saß ich an einem Manuskript und ließ einen seiner liebsten Serienhelden zu Wort kommen. Walter hatte ihm dazumals einige humoristische Einlagen auf den Leib geschrieben, und nun kam ich selbst in Versuchung, lustig zu sein. Mein erster Gedanke war: Würde Walter diese Szene so wollen, würde ihm das gefallen?

Ich hielt Zwiesprache mit ihm. Walter Ernsting/Clark Darlton ist noch da, keine Frage.

Ein Kommentar Gib deinen ab

  1. Diesen Artikel habe ich gerade erst auf deiner Seite entdeckt. Ich glaube, ich kann ein wenig nachempfinden, wie du dich beim Treffen gefühlt hast. Ich durfte, auch schon wieder mehrere Jahre her, W.K. Giesa vor laufender Kamera interviewen und war unglaublich nervös. Bis heute denke ich gerne an das Treffen zurück und bin froh und stolz, dass es auf Kamera für die Ewigkeit festgehalten wurde.

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