Interview mit … Frank Borsch

Frank Borsch war jahrelang Expokrat von PERRY RHODAN NEO und hat damit die Inhalte der Serie entscheidend mitbestimmt. Mit Band 100 zieht er sich zurück und übergibt diese Arbeit an das Autorenduo Rüdiger Schäfer/Michael Buchholz.

Wie geht es mit Frank weiter, wie sieht er seine Rolle als Steuermann dieser Erfolgsserie aus der PERRY RHODAN-Redaktion im Rückblick? – Hier sind seine Antworten.

neo100-d51cf42bF: Frank, Du hast die Serie PERRY RHODAN NEO über insgesamt 100 Romane hinweg als Exposé-Autor gelenkt und begleitet. Nun verfasst Du selbst den „großen“ Jubiläumsband und beendest danach – vorläufig – Deine Mitarbeit an NEO. Wie fällt Dein Resümee denn aus, wenn Du die letzten vier Jahre harter Arbeit Revue passieren lasst?

A: Ich kann es immer noch nicht so richtig fassen, was da eigentlich passiert ist. NEO war ja ein Experiment. Eines, das es in fünfzig Jahren Seriengeschichte noch nicht gegeben hat: PERRY RHODAN neu zu erzählen. Wie – und ob überhaupt – das bei den Lesern ankommen würde, darüber konnten wir nur spekulieren. Ich für meinen Teil hätte nie damit gerechnet, dass wir einen derartigen Erfolg haben könnten.

Aber: Der Erfolg bedeutete, wie du schon in der Frage gesagt hast, eine Menge harter Arbeit. Ein komplett neues Serienuniversum zu erschaffen und das in Romane zu gießen, die alle zwei Wochen erscheinen, ist eine riesige Aufgabe. Und entsprechend steil war meine Lernkurve. Ich glaube, ich habe in meinem Leben noch nie so viel in so kurzer Zeit gelernt wie bei der Arbeit an NEO.

Mit anderen Worten: Hätte ich auch nur im Ansatz geahnt, was auf mich zukommt, hätte ich mich wahrscheinlich nicht getraut – und freue mich jetzt unheimlich über das, was wir als Team bei NEO geschaffen haben.

F: Ich weiß, dass es nicht immer leicht war für Dich, die Serie zu steuern. Vor allem hattest Du es mit vielen verschiedenen Autoren zu tun. Die Stammkräfte blieben rar. Hast Du darin selbst ein Problem gesehen, oder gehört das einfach zum Geschäft dazu?

A: Teils – teils. Es gehört zum Geschäft dazu, dass Autoren sich verschiedenen Projekten widmen und/oder auch noch einer anderen Arbeit nachgehen. Ich persönlich finde das gut: Das bringt neue Erfahrungen rein und verhindert, dass man sich irgendwann nur noch wiederholt.

Andererseits braucht eine Serie wie NEO Kontinuität. Und da freue ich mich über jeden guten Autor, der anbeißt. Das vereinfacht die Arbeit für alle und auch die Ergebnisse sind besser. Sowohl, was die einzelnen Romane angeht, als auch bei der Gesamthandlung – was wiederum die Leser freut.

F: Michelle Stern und Oliver Fröhlich sind nach einigen Romanen für NEO zur PERRY RHODAN Erstauflage gewechselt. Kann man denn NEO als Talenteschmiede für Autoren ansehen, die sich hier für höhere Weihen empfehlen?

A: NEO war eigentlich nicht für diesen Zweck gedacht. Aber nach einiger Zeit hat es sich in diese Richtung entwickelt. Ich habe von Anfang an großen Wert darauf gelegt, den Autoren umfangreich und detailliert Rückmeldung zu ihren Romanen zu geben. Ich glaube, auf diese Weise kann man als Schriftsteller am schnellsten Fortschritte machen. Und dass Michelle und Oliver den Sprung in die Erstauflage geschafft haben, freut mich außerordentlich!

F: Du hast den Beginn von NEO mit dem Jahr 2036 angesetzt und die ursprüngliche Geschichte rings um den Risikopiloten Perry Rhodan, die von den beiden Autoren K.H. Scheer und Clark Darlton ab 1961 geschrieben wurde, neu definiert. Die Ausgangssituation bei beiden Serien ist ähnlich: Perry entdeckt auf dem Mond ein arkonidisches Raumschiff und bedient sich dessen technische Möglichkeiten, um auf der Erde Auseinandersetzungen der großen politischen Machtblöcke zu beenden.
Doch nach zwei, drei Kurzzyklen beginnst Du, Dich weiter von den literarischen Vorbildern zu entfernen. Ich hatte den Eindruck, daß Du diese Zeit brauchtest, um Dich „freizuschreiben“. Stimmt das? Und wenn ja – wie lange dauerte es denn wirklich, bis Du spürtest, dass dies nun „Deine“ Serie war?

A: Wir haben bewusst mit derselben Ausgangssituation begonnen wie in der Originalserie. Für mich ist das die Essenz von PERRY RHODAN: der Astronaut, der auf Aliens trifft und erkennt, dass unwiderruflich ein neues Zeitalter begonnen hat. Perry Rhodan lässt alles hinter sich zurück (nicht zuletzt seine Nationalität) und fängt neu an – und mit ihm die Menschheit.

Bis NEO 24 haben wir uns an der Taktung der Vorlage orientiert: politische Einigung der Erde, Vorstoß ins Wega-System, die Suche nach der Welt des Ewigen Lebens. Mit NEO 25 bricht Rhodan nach Arkon auf – und scheitert. Das ist für mich persönlich der Punkt, an dem NEO unwiderruflich neue Wege einschlägt. Und mit NEO 75 bis 100 haben wir die Chance genutzt, etwas zu erzählen, was in der Originalserie verabsäumt wurde: eine Erde in naher Zukunft zu beschreiben, die unter fremder Herrschaft steht.

Daneben hat sich rasch ein eigenständiger kosmischer Überbau entwickelt – das Ringen. Ursprünglich hatte ich das nicht vor, aber die Eigendynamik war zu groß. Wenn du Dinge wie die Unsterblichkeit und das Geistwesen ES in der Handlung hast, braucht es ganz automatisch Erklärungen.

borschF: Mir haben auf der Figurenseite insbesondere die Mutanten und deren individuellen Schicksale gefallen. Hattest Du selbst bestimmte Figuren, die Du besonders mochtest?

A: Jede Menge! Reginald Bull und Eric Manoli, die beide eine viel größere Rolle spielen dürfen als im Original. Die »entzickte« Thora. Sue Mirafiore und Sid González von den »neuen« Mutanten. Oder die arkonidische Führung des Protektorats: Satrak, Chetzkel und Jemmico. Theta, die Kurtisane, die zur Imperatrice aufsteigt. Jeethar, den Naat-Hacker mit seiner Vorliebe für Hawaiihemden. Und und und …

Für mich zeichnet NEO eine Qualität ganz besonders aus: Die mit sehr viel Liebe von allen Autoren gezeichneten Figuren.

F: Atlan, der ja auch in der Erstauflage von PERRY RHODAN eine ganz starke Rolle spielt, bekommt bei NEO eine andere Deutung. War es denn schwer, altbekannte Figuren wie den Arkoniden neu zu definieren? Bestand nicht die Gefahr, dass die Autoren Atlan, aber auch Reginald Bull und Perry Rhodan, instinktiv so zeichnen würden, wie sie ihn von der Erstauflage her kennen?

A: Ja, diese Gefahr ist allgegenwärtig. Wer für NEO schreibt, kennt PERRY RHODAN. Bewusst und unbewusst überträgt man natürlich sein Wissen.

Perry und Reg (nicht »Bully«, das löst bei Nichteingeweihten die falschen Assoziationen aus) sind beispielsweise keine Militärs. Sie waren in der US Air Force, aber nur, um Testpiloten zu werden und schließlich Astronauten.

Und, um bei dem Beispiel zu bleiben, beide sind jung und unerfahren, ganz gewöhnliche Menschen. Erzählerisch finde ich das viel reizvoller, als die Geschichte eines Unsterblichen zu erzählen, der im Lauf der Jahrtausende eigentlich schon alles erlebt hat, was es zu erleben gibt. Aber man muss es sich beim Schreiben immer wieder in Erinnerung rufen.

F: Band 100 wird nicht nur für Dich ein Abschlussband. Er fasst auch unzählige Fäden zusammen und verknüpft sie miteinander. Du greifst auf Spuren zurück, die bereits ab Band 50 gelegt wurden, also vor annähernd zwei Jahren. Bekommen die Leser denn eine Auflösung aller Rätsel geboten, die Du irgendwann einmal gestellt hast?

A: Nicht aller, es soll ja auch noch was für meine Nachfolger übrig bleiben 🙂

Aber ein ganz zentrales Rätsel wird aufgeklärt: Was hat es mit Rhodanos auf sich? Dem alten Mann, der in NEO 50 aus dem Nichts heraus auf der Erde erschienen ist – und eigentlich Rhodan sein muss.

F: Möchtest Du inhaltlich etwas über Band 100 verraten? Sind denn auch Extras geplant, gibt es einen Jubiläums-Mehrumfang?

A: Offiziell gibt es keinen Mehrumfang. Aber ich gehe mit der Länge an das Maximum, was der Verlag unterbringen kann.

Thematisch geht es, wie gesagt, vor allem um Rhodanos. Aber auch um den Abzug der Arkoniden von der Erde.

F:  NEO ist insbesondere als Ebook höchst beliebt, offenbar noch mehr als bei der Erstauflage. Gibt es Deiner Meinung nach einen Grund dafür? Holt NEO technik-affine und jüngere Leser ab, die mit elektronischen Lesegeräten vertraut sind?

A: Was die Ebooks angeht, hatten wir schlicht und einfach Glück. NEO 1 erschien im Herbst 2011 – genau zu der Zeit, als Amazon begonnen hat, den Kindle massiv zu bewerben. Das war der Moment, in dem sich Ebooks in Deutschland zu etablieren begannen. Ich denke, dass sich damals viele PERRY-geneigte Leser einen Reader zulegten oder als Geschenk bekamen. Und mit NEO hatten wir das perfekte Lesefutter parat.

F: Das Autoren-Duo Michael Buchholz und Rüdiger Schäfer übernimmt die Expokraten-Herrschaft mit Band 101. Gibt es etwas, das Du Deinen beiden Nachfolgern mit auf den Weg geben möchtest?

A: Hm, lass mal überlegen … »Bleibt bei euch!«. Will heißen: Erzählt eure Geschichte! In der Ära des Internets ist man als Autor mit einer Unmenge von Stimmen konfrontiert. Aber die alte Regel gilt weiterhin: Versuchst Du, es allen recht zu machen, machst Du es niemandem recht.

F: Wie geht es mit Dir persönlich weiter? Bleibst du PERRY RHODAN als Autor erhalten? Oder gibt es Pläne, auf die „Alien Earth“-Trilogie, die vor einigen Jahren bei Heyne erschienen ist, nochmals einen draufzusetzen? Verrat uns doch bitte ein wenig über Deine persönlichen Zukunftspläne …

A: Da gibt es im Augenblick gar nicht viel zu verraten: Ich werde diesen Sommer erstmal eine Pause einlegen und neue Kraft schöpfen. Und im Herbst werde ich sehen, was an neuen Ideen und Plänen zusammengekommen ist. Aber ich bin zuversichtlich, dass auch PERRY RHODAN darunter ist …

Das Copyright der Bilder liegt bei VPM bzw. Frank Borsch.

2 Kommentare Gib deinen ab

  1. Wieder ein sehr schönes Interview.
    Vielleicht sollte ich auch auf die ebooks umsteigen. Die Lücke in meinem Regal, die für PR Neo geplant war, war nach 96 Bänden auf einmal voll. 🙂

  2. JoelH sagt:

    Würde mich freuen Frank Borsch wieder in der EA lesen zu dürfen. Ich fand die meisten seiner bisherigen EA Romane super.

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