Und … Action!

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Actionszenen – und insbesondere Kampfszenen – sind zugegebenermaßen sehr schwierige Teile eines Manuskripts. Teile, mit denen ich auch immer wieder zu kämpfen habe.

Es sind so viele Fragen, die sich mir manchmal stellen: Wieviel beschreibe ich, wieviel lasse ich im Rahmen einer Szene weg? Ist es notwendig, verwendete Waffen exakt zu beschreiben? Heißt es: „X packte mit der rechten Hand zu und verdrehte Y den linken Arm“ oder verzichtet man auf Präzision zugunsten von mehr Geschwindigkeit, so, daß daraus: „X packte zu, er drehte Y einen Arm auf den Rücken“ wird?
Ist es wichtig, das Umfeld der Handlung zu visualisieren? Muß der Leser wissen, dass zwei Kontrahenten einander in einem Biedermeier-Zimmer umkreisen, in der eine Chaiselongue mit Blümchenmuster-Tapezierung zwischen ihnen steht und entlang der Wände stilbrechende Thonet-Sessel aufgereiht sind, oder verzichtet man auf derartige Details?
Wie sieht es mit Emotionen aus? Soll man über Absätze hinweg beschreiben, daß einer der beiden Gegner  voll Wut ist, daß er kaum mehr aufrecht stehen kann, er aber von seinem unbeugsamen Willen aufrecht gehalten wird, daß der Schmerz in seinem verletzten Bein immer schlimmer wird? Daß er Angst hat, aufkommende Panik spürt?
Was macht man, wenn mehr als zwei Personen in eine Kampf- und Actionszene involviert sind? Wie bekommt man das Namenswirrwarr hin, sollte man in kurzen Szenen zwischen Personen hin und her springen?
Wie ist das mit den Positionen der Figuren? Wie erzähle ich „Bewegung“, wie die Veränderung der Blickwinkel?

Nun, ich könnte noch viel, viel mehr aufzählen, woran ich denke, wenn ich „Action mache“. Und dann muß ich mich gehörig zusammenreißen und dran denken, daß das beherrschende Element in solchen Szenen das Tempo sein muß. Da haben retardierende/verzögernde Textstellen nur wenig Platz. Es geht zur Sache, und da möchte ich, daß der Leser die Zeilen frißt. Daß er unbedingt wissen möchte, wie und ob eine Hauptperson aus seiner Notsituation herauskommt, ob er ein Wettrennen gegen die Zeit gewinnt, ob er sich selbst überwinden kann.

Hilfreich für mich ist stets, eine derartige Szene wie ein Standbild zu visualisieren. Ich lasse im Geiste alle Beteiligten an Ort und Stelle einfrieren und merke mir, wo was und wer steht. Gegebenenfalls drehe ich dieses Bild auch, um festzustellen, wie zum Beispiel das Licht einfällt oder wie sich Staub einer Explosion druckartig verteilen könnte. Wenn ich dieses Bild mal intus habe, fällt es mir wesentlich leichter, Positionen, Winkel, Angriffs- und Abwehrbewegungen zu verstehen. (Wer das im eigenen Kopf nicht so leicht hinbekommt, kann sich diese Situationen natürlich auch aufzeichnen oder mit Lego-Figuren nachspielen.)

Der zweite wichtige Gedanke ist: minimalisieren. Besser zu wenig als zu viel beschreiben. Immer aufs Tempo drücken, den Leser atemlos durch die Handlung führen. Das kann auch mit einer besonderen Wortwahl bewirkt werden und mit kürzeren, stakkatoartigen Sätzen. Kettensätze kommen den heutigen Lesegewohnheiten ohnedies nicht entgegen – und hier haben sie nun mal gar nichts zu suchen.

Die dritte Beilage ist der – sparsame – Einsatz von Emotionen. Was fühlt jemand, der einen heftigen Schlag auf die Nase bekommt? Wie geht mein Held damit um? Entspricht es seinem Charakter, sofort aufzugeben und zu verlieren, oder überwindet er sich?
Emotionen sind kleine Zugaben, deren Beschreibungen dürfen nicht übertrieben werden. Aber laßt eure Figuren nicht wie Supermänner übers Schlachtfeld wandeln. Und bringt Selbsterfahrung mit ein. Wer zum Beispiel schon mal eine auf die Nase bekommen hat, weiß, daß die Augen unweigerlich tränennaß werden.

Als vierter Gedanke: Eine Action-Szene kennzeichnet meist einen Übergang. Held verliert oder Held gewinnt. Im ersten Fall benötigt er diesen Dämpfer, um „ganz unten“ anzukommen. Um zu scheitern. Von diesem unteren Scheitelpunkt seiner Entwicklung kann es nun wieder aufwärts gehen.
Bei Zweiterem muß Held sich gehörig überwinden. Er muß etwas schaffen, das bis dahin für ihn undenkbar gewesen ist. Er muß sich überwinden und seinem Ziel, dem Ziel des Romans, nähergekommen sein. Er entwickelt sich „aufwärts“. Behandelt euren Helden dementsprechend, arbeitet an seinem Charakter

Es ist wirklich nicht leicht, Action gut zu schreiben und zu beschreiben. Ich scheitere oftmals an meinen eigenen Ansprüchen. Aber auch hier wie bei vielen anderen Bereichen der Schreibarbeit gilt: ja nicht ausweichen. Stellt euch der Herausforderung.

 

3 Kommentare Gib deinen ab

  1. Gut, dass die Raumschiffe oft die Action erledigen. 😉
    „Er sitzt schon ewig da und spielt mit Lego und behauptet, er wäre Schriftsteller.“
    Das kann gefährlich sein, wenn dich die falschen Personen dabei sehen. 😉

    1. mmthurner sagt:

      Ach, mein Umfeld ist Kummer gewohnt 🙂

      1. So lange du über den Status hinaus bist, in dem man mitleidige Blicke zugeworfen bekommt, wenn man von Außerirdischen spricht, als würde man ihnen täglich die Hand schütteln … 🙂

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