Vor einigen Tagen habe ich auf Twitter und in meinem privaten Umfeld eine Umfrage durchgeführt, wie groß denn der Einfluss der Buchserie Mark Brandis auf deutschsprachige SF-Fans gewesen wäre und immer noch sei. Das Ergebnis hat mich nicht sonderlich überrascht. Ich weiß ja von mir selbst, wie gerne ich „Mark Brandis“ als Jugendlicher gelesen habe.
Es ist tatsächlich so, daß diese Serie, von Nikolai von Michalewsky konzipiert und geschrieben, viele Jugendliche beeinflusst und in ihren Lesegewohnheiten geformt hat. Mark Brandis war oftmals die Einstiegsdroge. Nach Aussagen vieler Bekannter und Freunde „funktionieren“ Michalewskys Romane beim wiederholten Lesen immer noch, sogar mehrere Jahrzehnte danach.
Eva Waiblinger ist als Autorin höchst begabt und mit unglaublich viel Wortwitz ausgestattet. Ich hatte schon mehrmals das Vergnügen, sie bei meinen Schreibcamps begrüßen zu dürfen. Sie hat sich intensiv mit Mark Brandis auseinandergesetzt und darüber einen Bericht geschrieben. Aufgrund der Textlänge splitte ich ihren Aufsatz in drei Teile.
In diesem letzten Teil des Gastbeitrags kommt Bestseller-Autor Andreas Gruber zu Wort, den Eva zu Mark Brandis interviewt hat.
Hier geht’s zum ersten Teil ihres Textes: Hommage Mark Brandis I
Und hier zum zweiten Teil: Hommage Mark Brandis II

F: War die Mark Brandis-Serie für dich eine Art Einstiegsdroge für Science Fiction und/oder fürs Schreiben?
A: Für mich war es nicht nur die Einstiegsdroge für die Science Fiction, sondern generell für das Lesen von „erwachsener-er“ Literatur.
Mit etwa neun Jahren bekam ich von der besten Freundin meiner Mutter ein Buch geschenkt. Einen Doppelband mit den ersten beiden Romanen der Mark Brandis-Reihe. Vermutlich hat sie es nur gedankenverloren in einer Buchhandlung als Geschenk für mich gekauft, hat damit aber einen Stein ins Rollen gebracht, der für mich im Lauf der nächsten Jahre sehr viel bewegt hat. Von da an habe ich mir die Brandis-Bücher in der Leihbibliothek ausgeliehen und dann später, mit 15 Jahren, um mein erstes hart verdientes Geld von Ferienjobs gekauft. In der Folge habe ich mir dann als Teenager alle 32 Bände gekauft, gesammelt und verschlungen.
Ich habe viele Jahre später sogar über den Herder-Verlag einen Fan-Brief an Nikolai von Michalewsky geschickt und auch von ihm eine Antwort darauf erhalten. Darin habe ich geschrieben, dass er mich mit seinen Büchern dazu inspiriert hat, selbst zu schreiben, und er hat mir „ein dickes Fell“ gewünscht.
F: Was hat dich an der Serie besonders gepackt, die Stories, exotischen Settings, die Charaktere oder die Themen, die Mark Brandis aka von Michalewsky darin angeht?
A: Ach, da gibt es so vieles, das mich besonders gepackt hat. Einerseits die poetische Sprache, wenn Mark Brandis über die Schaumkronen vor Metropolis, der Riesenstadt im Atlantik, philosophiert, über die Einsamkeit und Leere im Weltraum oder über die monatelange Trennung von seiner geliebten Ruth O´Hara. Wenn er über Freundschaft, Zivilcourage spricht und darüber, dass du dafür, woran du glaubst, leben und sterben sollst. Ich denke, dass mich diese Bücher zu einem besseren und erwachseneren Menschen gemacht haben und mehr zu meiner Charakterentwicklung beigetragen haben als die Lehrer in der Schule.
F: Hat sich einer der Bände oder eine Szene bei dir besonders ins Gedächtnis gegraben?
A: Mehrere! Meine Lieblingsbände sind „Testakte Kolibri“, weil das Buch sau-spannend ist, und „Sirius-Patrouille“, weil mich diese Geschichte von der beklemmenden Atmosphäre her sehr an einen meiner Lieblingsfilme erinnert, nämlich an „Das Boot“.
Viele Szenen und Figuren sind im Gedächtnis geblieben: der griesgrämige, aber weise Sibiriak Iwan Stroganow, der trotz jahrelanger Freundschaft immer noch „Sir“ zu Mark Brandis sagt, der einarmige knallharte Chef der VEGA, John Harris, oder der auf seiner Mundharmonika spielende Grischa Romen.
Oder die vielen Raumschiffe: Delta VII, SK Invictus, Hermes, Najade, Diana, Ares, Medusa oder die wendigen Taurus-Zerstörer, die aus der Sonne kommen und sich wie ein Terrier auf ihre Beute stürzen.
Unvergesslich auch die Szene, in der sie endlich nach vier Bänden den Diktator Gordon B. Smith aufspüren und feststellen, dass er nur noch ein Gehirn ist, das in einem Netzwerk hängt.
F: Falls du die Romane noch präsent hast: wie findest du die Sprache von Michalewsky, entspricht sie deinen gestrengen Schreibcamp-Kriterien, oder ist das aus heutiger Sicht schwierig zu beurteilen, weil die Romane nun immerhin vierzig Jahre auf dem Buckel haben?
A: Als großer Fan und Verehrer von Nikolai von Michalewsky habe ich ja nicht nur seine Mark Brandis Science-Fiction-Reihe gelesen, sondern auch die Abenteuerbücher, die er unter seinem echten Namen veröffentlicht hat. Meines Erachtens steht er in einer langen Tradition von Autoren wie Mark Twain, Ernest Hemingway und Charles Bukowski, die in knappen und präzisen Sätzen viel aussagen und Emotionen auf den Punkt bringen. Er schrieb diese Art von Literatur, die nicht so rasch veraltet und immer noch aktuell ist, sowohl stilistisch als auch thematisch.
Ich meine, es deshalb beurteilen zu können, weil meine Erinnerung an die Bücher nicht auf einer verklärten oder idealisierten Jugenderinnerung beruht, sondern weil ich die Bücher erst letztes Jahr noch einmal komplett gelesen habe, als mich ein Unfall einige Monate lang ans Bett gefesselt hatte und ich mir – zum psychischen Aufbau – etwas Gutes tun wollte.
Ich habe es nicht bereut, alle Bücher – jetzt als Erwachsener mit 51 Jahren – noch einmal zu lesen und habe es sehr genossen, noch einmal in die Welt des Mark Brandis einzutauchen.
F: Gibt es etwas, das du zu der Serie ausserdem noch sagen möchtest?
A: Ja, unbedingt! Es gibt eine sehr gut gemachte Hörspiel-Reihe von Folgenreich, die fast alle Bände der Reihe als tolles je ca. einstündiges Hörspiel mit bekannten Synchronsprechern umgesetzt haben – mache Bände sogar als Zweiteiler.
Und dann gibt es noch eine 12-teilige Original-Hörspiel-Serie über den jungen Mark Brandis und seine Abenteuer als Kadett an der Weltraum-Akademie, die nahtlos in den Beginn der klassischen Mark Brandis-Reihe übergeht.
Infobox:
Bestsellerautor Andreas Gruber hat sich zwar mittlerweile von der Science Fiction ab- und mehrheitlich dem Thriller zugewandt, doch gekeimt ist seine Schreibkarriere auf dem fruchtbaren Boden von Horror, Phantastik und Science Fiction. Andreas leitete schon mehrfach zusammen mit Michael Marcus Thurner die Schreibcamps in Wiener Neustadt. Seine phantastischen Kurzgeschichten sind als Sammelbände erschienen.